Löwenherz. Im Auftrag des Königs
auf dem Schiff wirkte nicht anders als zuvor, doch für ihn war die Geborgenheit, die ihm die LÖWENHERZ vermittelt hatte, erloschen.
»Edith«, zischte er, als er und Johnny sich neben sie kauerten. »Edith, das Schiff ist eine Falle!«
Edith starrte ihn an. Dass sie nicht allzu überrascht war, traf Robert wie ein Schlag.
Vorsichtig spähte er hinter den Fässern hervor und zum Heckkastell hinüber. Der Steuermann legte sich soeben wieder ins Ruder. Diesmal spürte Robert, wie das Schiff langsam drehte. Hugo nickte dem Steuermann nach einem Blick über die Reling zu und verschwand dann unter dem Heckkastell.
»Wir haben unseren alten Kurs wieder«, sagte Robert erleichtert. Plötzlich fühlte er sich wie ein Trottel. »Mann, und ich dachte für einen Augenblick: Wahrscheinlich weichen wir nur einem anderen Schiff aus. Oder irgendeiner gefährlichen Meeresströmung oder …«
»… einem Seeungeheuer«, sagte Johnny.
»Genau. Oder einem Seeungeheuer.« Robert ließ sich zurücksinken. Er lachte vor Erleichterung und stupste Edith an. »Warum bist du eigentlich die ganze Zeit so ein Sauertopf?«
Edith griff wortlos in ihren Mantel und legte ein zusammengefaltetes Tuch vor Robert und Johnny auf die Schiffsplanken.
»Das ist das Banner von König Richard, das uns Hugo gezeigt hat«, sagte Robert. »Wo hast du es her?«
Statt einer Antwort legte Edith ein anderes, ebenfalls zusammengefaltetes Tuch daneben. Es zeigte goldene Lilien auf blauem Grund.
»Das ist das Wappen von König Philippe Auguste von Frankreich«, sagte Robert.
Ein weiterer Wimpel zeigte einen schwarzen Panther auf silbernem Grund. »Das ist das Wappen von Herzog Leopold von Österreich«, erläuterte Edith.
»Und was willst du mir damit sagen?«, fragte Robert.
»Ich war unter Deck, während du dich mit Schiffsmeister Hugo angefreundet hast. Robert, er hat mehr als ein Dutzend solcher Banner in einer Truhe da unten! Ich hab sie nur deshalb entdeckt, weil jemand den Deckel offen gelassen hat.«
»Vielleicht sammelt er die Dinger«, sagte Johnny.
Robert holte tief Luft. »Nein, er benutzt sie, um Passagiere anzuwerben. Je nachdem, wessen Untertanen sie sind, zeigt er ihnen das passende Wappen. So erschleicht er sich ihr Vertrauen.«
Robert schwieg. Er fröstelte – und das kam nicht nur von der kalten Brise.
»Hugo ist ein Pirat.« Edith blickte grimmig drein. »Er nimmt Passagiere mit auf sein Schiff. Und entweder nimmt er sie dann gefangen und verlangt Lösegeld, oder er raubt sie aus und …«
»… wirft sie über Bord!« Johnny schauderte.
»Oder er verkauft sie im Heiligen Land als Sklaven«, sagte Edith. »Ich wette, das Schiff heißt nicht mal LÖWENHERZ . Johnny hat den Betrug entdeckt, ohne dass irgendeiner von uns die richtigen Schlüsse daraus gezogen hätte. Erinnert ihr euch? Hugo hat unsere Namen und ein bisschen was von unserer Unterhaltung aufgeschnappt, als wir auf ihn zukamen. Und dann hat er einfach so getan, als wüsste er alles über unseren Auftrag. Ein paarmal hat er richtig geraten, ein paarmal hat er uns nur das gesagt, was wir eh schon wussten.«
»Das erklärt trotzdem nicht, warum er so gut Bescheid wusste.«
»Ist doch egal. Wir sind alle auf ihn reingefallen.
»Nein, du warst von Anfang an …«
»Robert, jetzt ist nicht die Zeit für Selbstmitleid.«
Robert zuckte zusammen, musste aber vor sich selbst zugeben, dass Jammern hier völlig fehl am Platz war. »Wir müssen rauskriegen, was er vorhat«, sagte er. »Wenn er uns in die Sklaverei verkaufen will, haben wir noch ein bisschen Zeit. Vorausgesetzt er merkt nicht, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind. Wenn er uns ausrauben will …« Er schluckte. »Heiliger Andreas, wisst ihr was? Ich weiß, was die kurzfristige Richtungsänderung zu bedeuten hat! Er ist weiter raus aufs Meer gefahren, damit … wenn er uns über Bord wirft …«
Johnny vollendete seinen Gedanken: »Damit unsere Leichen nicht irgendwo angetrieben werden. Oh Kacke!«
»Das heißt, wir haben keine Zeit«, murmelte Edith. Sie war blass geworden.
»Es ist noch ein Passagier an Bord«, sagte Robert plötzlich. Er schlug sich gegen die Stirn. »In Hugos Kajüte. Ich dachte, auf seinem Bett läge nur ein unordentlicher Haufen Decken, aber es muss jemand darunter gewesen sein. Verdammt, warum fällt mir das erst jetzt ein?«
»Jemand, der gefesselt war … und geknebelt …«
Robert sah Edith mit großen Augen an. »Brion!«
»Wenn wir Glück haben!«
»Was kann
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