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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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er uns nützen, wenn er ein Gefangener ist wie wir?«, fragte Johnny.
    »Wenn es wirklich Brion ist, befreien wir ihn!«, sagte Robert grimmig.
    »Und wie finden wir das raus, ohne Hugos Verdacht zu erregen?«
    Robert sah Johnny von der Seite an. »Dafür brauchen wir dich. Du kannst doch gut klettern, oder?«

8
    W enig später musste der Steuermann der LÖWENHERZ mit ansehen, wie eine weitere »Taube« seekrank wurde. So nannte die Besatzung jene Passagiere, für die Schiffsmeister Hugo die »Behandlung Nummer eins« vorgesehen hatte – ausrauben und mit Steinen beschwert über Bord werfen. Hugo nannte diese Methode »Tauben rupfen«. Wer sich für »Behandlung Nummer zwei« qualifiziert hatte, hieß bei der Besatzung »Gemüse« – weil diese Opfer bei der Ankunft am Reiseziel so schlapp waren wie welkes Gemüse und auf Knien flehten, verschont zu werden. Sie wurden an sarazenische Sklavenhändler verkauft, die das Meer bis zur Südküste Korsikas hinauf unsicher machten. Hugo hatte einen Vertrag mit ihnen: Er lieferte Sklaven und dafür ließen die Piraten ihn und seine Fracht unbehelligt.
    Hugo beförderte alles, was an seinem jeweiligen Zielort verboten war. In der letzten Zeit hatte er Waffen aus dem Heiligen Land nach Marseille geschmuggelt, von wo sie auf dem Landweg in die Normandie gebracht und dann nach England verfrachtet wurden.
    Jetzt torkelte eine der Tauben – der Junge, der sich gab wie ein Herr – über das Deck und erleichterte sich über die Reling. Der Steuermann grinste. Da schrie der Junge plötzlich auf und deutete aufs Wasser. »Eine Nixe!«, rief er.
    Alle Seeleute waren abergläubisch. Das ging so weit, dass die wenigen unzuverlässigen Karten, die Küsten und Meerespassagen verzeichneten, durch die Hinzufügung von Seeschlangen, Fischmenschen und riesigen Bestien noch unzuverlässiger gemacht wurden. In den Tiefen der See lebten, davon waren die Seeleute überzeugt, seltsame, fremde und bösartige Wesen, und nur die Ertrunkenen, die auf den Meeresgrund sanken, bekamen sie jemals zu Gesicht. Der Steuermann erinnerte sich, dass Hugo dem Jungen, der sich jetzt die Lunge aus dem Leib schrie und hektisch aufs Wasser deutete, von Meerjungfrauen und fliegenden Fischen erzählt hatte, die sich in die Takelage von Schiffen setzten (die Fische, nicht die Meerjungfrauen). Wahrscheinlich war das alles zu viel für die Landratte gewesen.
    Der Steuermann lehnte sich nach vorne, um ins Wasser zu spähen. Der Anblick von Meerjungfrauen, so hieß es, brachte Glück. Und manchmal, wenn ihnen ein Mann gefiel – der Steuermann fuhr sich unwillkürlich mit den Fingern durchs Haar –, tauchten sie zum Grund hinab und brachten ihm als Geschenk ein wertvolles Geschmeide aus dem Schatz eines gesunkenen Schiffes.
    Die anderen Matrosen rannten ebenfalls zu Robert hinüber und blickten ins Wasser.

9
    E dith sah mit klopfendem Herzen zu, wie Johnny sich unbemerkt von den aufgeregten Matrosen behände über die Bordwand schwang. Der Plan war, dass er sich außen am Schiff entlanghangeln und in die Fensteröffnungen von Hugos Kajüte spähen sollte, um festzustellen, ob ihre Vermutung zutraf.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Johnny keuchend zurückkletterte und ihr mehr oder weniger vor die Füße fiel. Sie zog ihn sofort hinter eines der Wasserfässer. Er atmete schwer und starrte sie mit großen, entsetzten Augen an.
    »Hast du jemanden entdecken können?«
    Johnny nickte.
    »Ist es Brion?«
    »Nein.« Er schluckte. »Es ist Guy de Gisbourne.«

10
    S ire Guy de Gisbourne sah missmutig zu, wie sein Gastgeber, Schiffsmeister Hugo, sich Wein einschenkte. Sein Magen rebellierte schon, als er das Getränk in den Becher fließen hörte.
    »Ihr macht da einen schweren Fehler«, sagte Hugo gemütlich. »An diesen Herrschaften lässt sich zweimal verdienen – einmal, wenn wir sie berauben, und noch einmal, wenn wir sie als Sklaven verkaufen. Die beiden Burschen sind nicht viel wert, aber die Tochter eines angelsächsischen Lords … So was hat man nicht alle Tage im Angebot.«
    »Ist ja mein Fehler, oder?«, knurrte Guy de Gisbourne, der auf Hugos Bett hockte. Er hasste seinen niedrigen gesellschaftlichen Rang, der ihn dazu zwang, Sheriff de Laci als Lehensherrn anzuerkennen; er hasste den Sheriff selbst und er hasste Edith de Kyme, diese vorlaute Göre. Seit er Hugos Schiff betreten hatte, war noch etwas auf seiner Hassliste hinzugekommen: Er verabscheute das Meer! Ständig schwankte der Boden,

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