Loge der Lust
mehr. An der rechten Hand war lediglich ein Streifen heller Haut zu sehen. Das kam Teena nur allzu bekannt vor. Der Siegelring. Seine eisblauen Augen. Teena hatte mit einem Mal Sodbrennen und stellte den Becher mit dem grünen Tee geräuschvoll ab.
„Du hast uns gar nicht gesagt, dass der Earl mittlerweile erpresst wird“, mokierte sich Lewis.
Genervt winkte Matthew ab. „Wird er auch nicht. Noch nicht.“
„Ein Prostituiertenring in Gardenrye? Das passt ungefähr so gut wie ein Stich Butter in ein Glas Zitronenlimonade.“ Teena schüttelte sich.
„Netter Vergleich, doch Huren gibt es überall, selbst in der Provinz.“
„Aber gleich eine ganze Organisation? Das erscheint mir doch etwas zu groß für Gardenrye.“
„Vielleicht existiert hier nur eine Zelle, und der Kopf sitzt in Newcastle upon Tyne oder sogar in London“, warf Josh ein. „Mich wurmt nur, dass wir erst jetzt davon erfahren. Ist die Gang schon länger bei uns tätig?“
Matthew strich fahrig über seinen Backenbart. Die Fragen schienen ihn nervös zu machen. „Die Verbrecherbande ist verdammt gut organisiert, der Kopf ein wahrer Teufelskerl. Wir müssen höllisch vorsichtig vorgehen.“
„Woher hast du diesen Hinweis?“, fragte Teena ihn zögerlich.
Er kam um den Tisch herum und baute sich vor ihr auf. „Von einem Informanten. Woher sonst?“
„Ist er verlässlich? Er könnte auch hinter einer Geldprämie her sein oder einer anderen Vergütung, wie Strafmilderung, oder …“
„Willst du mich etwa nötigen, seine Identität preiszugeben?“, fragte er scharf.
Teena rutschte tiefer in den Sitz. „Natürlich nicht.“
Verärgert verschränkte er die Arme vor dem Körper. „Oder misstraust du meiner Kompetenz?“
„Ganz und gar nicht.“ Sie wurde immer kleiner.
Glücklicherweise sprang Joshua für sie in die Bresche. „Teena wollte damit nur sagen, dass ein kriminelles Netzwerk für uns möglicherweise eine Nummer zu groß ist. Wolltest du doch, oder?“
Sie nickte stumm.
„Wir selbst haben ihr immerhin an ihrem ersten Arbeitstag erzählt, dass sie Fischerbootlizenzen prüfen und Verkehrsunterricht in der Grundschule geben muss.“ Er breitete die Arme aus und zuckte mit den Achseln. „Jetzt sind wir aber mit einer ganzen Verbrecherorganisation konfrontiert – Prostitution, Diebstahl, räuberische Erpressung, das ganze Programm.“
Lewis drückte seinen Zigarettenstummel im Aschenbecher aus und nahm die nächste Dunhill aus der Schachtel. „Wir schalten selbstverständlich Newcastle ein.“
„Selbstverständlich nicht!“, blaffte Matthew. „Willst du, dass wir wie Idioten dastehen? Die nehmen uns doch eh nicht für voll. Das schaffen wir allein!“
Teena war eingeschüchtert. Matthew sah aus wie ein tollwütiger Köter, der nur noch einen kleinen Anreiz brauchte, um sich in sein Opfer zu verbeißen. In Gedanken sah sie Sly im Forensiklabor, wie er sich – vielleicht sogar genau in diesem Moment – über eine Aluminiumschale mit der pinkfarbenen Perücke und der Shampooflasche beugte und sie auf Spuren untersuchte. Teena fragte sich, wie sie Matthew überhaupt in die Augen schauen konnte. Sie kritisierte ihn während einer Teambesprechung und verschwieg, dass sie möglicherweise wichtige Hinweise hatte. Aber es ging nicht anders, wenn sie sich nicht vollends lächerlich machen wollte wegen der Verbindung, die es zwischen der Lady in Pink und ihr gab. Dennoch fühlte sie sich miserabel.
Während Matthew aufgebracht mit Lewis diskutierte, stieß Teena unter dem Tisch Joshua an und flüsterte: „Hattet ihr in Gardenrye schon einmal einen ähnlichen Fall?“
Josh schüttelte den Kopf.
„Einen in dieser Größenordnung?“, hakte sie nach. „Bei der Bande handelt es sich ja nicht bloß um ein Einbrecherduo.“
„Nicht während meiner Zeit bei der Polizei, aber ich bin ja noch nicht so lange dabei“, antwortete er leise und begann an seiner Unterlippe zu knabbern.
„Kennt du die Kontaktperson?“
„Nein, und jetzt …“ Joshua legte den Finger an den Mund.
Sie schreckte zusammen, als Matthew schrie: „Koogan Brannigan leitet das Revier in Newcastle. Schon in der Grundschule haben wir uns gehasst, die Polizeiausbildung war ein einziger Wettbewerb. Er hat sich lustig über mich gemacht, weil ich in Gardenrye blieb und er in die Großstadt berufen wurde. Eher hänge ich mich auf, als ihn um Unterstützung zu bitten.“
Daraufhin schwieg Lewis.
Teena war nicht wohl bei der Sache. Auf dem Revier
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