Lokalderby
Grillfunktion ein. »Nun ja, vielleicht brauche ich doch eine halbe Stunde länger. Dann musst du mit meinen Eltern eben etwas ausgiebiger am Aperitif nippen.«
»Davon könnte ich heute auch zwei vertragen«, meinte Katinka und klang ziemlich angekratzt.
»Ist was passiert?«, fragte Paul, während er ein Brot aus der Vorwoche in kleinste Fetzen riss, um die Brosamen anzubraten und sie anschließend mit Ei und etwas Sahne zu vermischen. Ausgebreitet auf einem Backblech würde er das Krümelbrot in den Ofen geben und daraus Sockel für die Täubchen herausschneiden.
»Ich bin vorhin erst dazu gekommen, mir den Polizeibericht von gestern Nacht anzusehen. Dein neues Steckenpferd Fußball sorgt schon wieder für Ärger.«
»Gibt es etwa noch einen Toten?«, erkundigte sich Paul alarmiert.
»Das nicht, aber neue Gewalt: Im Vereinsheim der Sportfreunde Ronhof, dem größten Fanklub im Umfeld der Spielvereinigung Greuther Fürth, fand gestern eine Veranstaltung statt, die sich bis nach Mitternacht hinzog. In den frühen Morgenstunden rückten etliche Nürnberger dort an und machten Krawall. Als die Polizei eintraf, war die Schlägerei bereits in vollem Gange. Drei Dutzend Beamte mussten dazwischengehen. Dabei flogen nicht nur die Fäuste, sondern auch Stühle, mit denen sich die Fürther zur Wehr setzten. Letztlich gab es zehn Leichtverletzte, und es hätte noch schlimmer kommen können: Einige Club-Fans wurden auf der Flucht gefasst – bei der Durchsuchung ihrer Autos stellte die Polizei Sturmhauben, Pfefferspray und selbstgebastelte Knallkörper sicher.«
»Na sauber! Das alles wegen Buggi?«, fragte Paul entgeistert.
»Nicht nur, aber sein Tod könnte den Funken ausgelöst haben, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Man kann nur hoffen, dass dies kein Vorgeschmack aufs Derby war. Apropos Geschmack . . .« Sie schnupperte, warf einen Blick in den Ofen und meinte: »Duftet vielversprechend. Und was gibt’s als Dessert?«
»Johannisbeeren mit Schmandeis«, antwortete Paul, kam aber gleich aufs Thema Fußball zurück: »Meinst du nicht, dass sich die Lage entspannen würde, wenn Buggis Fall endlich geklärt und abgeschlossen wäre?«
Katinka schürzte die Lippen. »Darauf würde ich lieber nicht wetten.«
»Wie meinst du das?«, fragte Paul und ließ einen Rührlöffel fallen. Um ein Haar wäre auch eine seiner Schüsseln zu Boden gegangen.
»Falls es dich beruhigt und du dann weniger zappelig bist: Uns liegt endlich der Befund vor.«
»Über die Todesursache?« Paul blickte sie voller Ungeduld an. »Das nenne ich mal eine gute Nachricht!«
»Ja. Aber um es gleich vorwegzunehmen: Das Ergebnis wird dir nicht gefallen«, dämpfte sie seine Erwartungen. »Denn es ist nicht eindeutig.«
»Wie meinst du das?«
»Das Ganze ist etwas – sagen wir – diffus.«
»Darunter kann ich mir nichts vorstellen.«
»Das glaube ich gem. Mir ging es ähnlich, als ich heute den Papierstoß der Rechtsmediziner auf meinem Schreibtisch fand. Darin ist eine ganze Reihe an chemischen Verbindungen aufgeführt, die in Weinfurthers Körper nachgewiesen werden konnten. Jeder dieser Stoffe ist für sich genommen nicht tödlich, die Kombination der verschiedenen Präparate zusammen allerdings schon.«
»Du sprichst von › Präparaten ‹ «, rätselte Paul. »Handelt es sich wohl um Medikamente?«
»Ja, davon gehen die Experten aus. Es dreht sich um Bestandteile unterschiedlicher Tabletten, Kapseln und Tropfen, einige davon sind frei erhältlich, andere verschreibungspflichtig.«
»Verschreibungspflichtig? Das ist doch ein Anhaltspunkt! Habt ihr schon mit Buggis Hausarzt gesprochen?«
Katinka hielt den Kopf schräg. »Für wie blöd hältst du uns eigentlich? Selbstverständlich! Das war das Erste, was die Kripo nach Sichtung des Befunds veranlasst hat. Der Arzt wertet jetzt Weinfurthers Kartei aus und durchforstet seine Rezepte.«
»Wann rechnet ihr mit einem Ergebnis?«, fragte Paul und merkte selbst, wie drängend sein Ton wurde.
»Das sollte recht flott gehen. Ich denke schon morgen, spätestens übermorgen. Aber . . .« Sie sah ihn aufmerksam an. »Aber dass es Mord war, wird durch diese neue Erkenntnis noch unwahrscheinlicher. Sollte sich nämlich heraussteilen, dass Weinfurther die Pillen eigenmächtig besorgt hat, würde dies für fahrlässigen Medikamentenmissbrauch sprechen, wenn nicht sogar für Suizid.«
»Du glaubst, Buggi hat sich den tödlichen Medizincocktail selbst eingeflößt?«, fragte Paul und
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