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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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ihr die Chance, bei der Lüge zu bleiben.
    Sie bleibt in der Küche sitzen, bis sie das Gefühl hat, nun kann ihr die fliederfarbene Bettwäsche nichts mehr antun. Dann steht sie auf und geht schlafen.

|160| 14. Kapitel
    Hanns baut ein Bett. Morgen wird Veronika ihn zum ersten Mal besuchen.
Frankenburg, she comes
, summt Hanns vor sich hin und starrt auf die Aufbauanleitung des Schlafsofas. Kann ja wohl nicht schwierig sein, summt er und wählt die Melodie eines Rammsteinsongs für den Blödsinn, den er vor sich hin murmelt. Dann wechselt er zum Original.
Ich habe Pläne, große Pläne, ich baue dir ein Haus, jeder Stein ist eine Träne, und du ziehst nie wieder aus.
    Hanns geht zur Musikanlage. Die hat er sich vor allen anderen Dingen gekauft. Die Musikanlage und den Fernseher. Beides schien ihm überlebensnotwendig für seinen Start als Leitender Lokalredakteur der Frankenburger Rundschau. Bis heute hatte zum Schlafen eine Matratze gereicht. Aber nun kommt Veronika. Acht Wochen hat das gedauert. Acht lange Wochen.
    Ja, ich baue ein Häuschen dir, hat keine Fenster, keine Tür, innen wird es dunkel sein, und niemand hört dich schrein.
Hanns brüllt mit Rammstein um die Wette. Es ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis der Protest von oben kommt. Er musste sich Kopfhörer kaufen. Sonst hätte es schon längst Mord und Totschlag gegeben. Über ihm wohnen Martha und Wilhelm Tornemann, vierzig Jahre miteinander verheiratet, pensioniert, frustriert, bescheuert. Ihre erste Ansage an ihn war, ihm die Hausordnung zu erklären. Als sei er ein Idiot. Als sei er irgendein Wichser, dem dieses Dörrobst irgendetwas erklären müsse. Vor allem sie. Diese |161| Bröselmaschine, dieses Suppenhuhn, angegangenes Fleisch, schrottreife Ruine, blöde Faltenfotze. Hanns schreit, dass die Wände wackeln und Rammstein nur noch den Background gibt.
    Mit den Füßen im Zement verschönerst du das Fundament.
    Ist das gut. Das ist richtig gut. Morgen kommt Veronika. Er wird mit ihr vögeln, dass denen da oben die Ohren klingen. Und wenn sie kommen und ihn bitten wollen, doch ein wenig Rücksicht zu nehmen, wird er den Moses mit seiner abgebrannten Lunte am Schlafittchen packen und ihn so lange durchschütteln, bis dem der rostige Riegel abfällt. Der ist doch sowieso zu nichts mehr nütze, dieser abgewichste Schlegel. Der macht doch mit seiner ausgeleierten Matratze eh nicht mehr rum.
Weißes Fleisch
, brüllt Hanns und freut sich, dass auch der nächste Rammsteinsong so gut passt zu seiner Wut.
    Dann klingelt es an der Tür, und er steht im Flur, sieht sich im Spiegel, wie er da steht. Ein wahnsinniger Lokalredakteur, dem der Schweiß auf der Stirn perlt und das Hemd nassgemacht hat. Ein Typ, der stinkt und wirres Zeug redet. Nicht einmal der Speicheltropfen im Mundwinkel fehlt. Hanns ekelt sich, geht zur Tür und sagt, ohne sie zu öffnen: Ich mach leiser. ’tschuldigung.
    Dann schlurft er zurück ins Zimmer, dreht die Musik leise und nimmt die Bauanleitung wieder in die Hand. Morgen kommt Veronika. Er freut sich. Es gab gute Gründe, dass acht Wochen vergehen mussten bis zu diesem Wiedersehen. Er hat jedes verdammte Wochenende gearbeitet, und Vroni war mit diesem seltsamen Job beschäftigt. Hat einen Relaunch für einen Tierbedarfsladen entworfen. Oder so was in der Art. Den Laden gibt es sogar hier in Frankenburg. Irgendwo draußen in einer dieser Einkaufshalden, die er immer noch nicht voneinander |162| unterscheiden kann. Die so schrecklich sind wie ein Alptraum übelster Sorte. In denen er sich immer ganz verloren fühlt. Drei Mal musste er bis jetzt Stunden dort zubringen. Weil die sich immer wieder irgendwas Grauenvolles ausdenken, um die Leute da hinzukriegen. Hopseburgen und Schlagersänger, verkaufsoffene Sonntage, Kinderfeste und Allesfürdengartenfürshausfürsgrillenpartys. Er hat sich vorgenommen, im ersten Jahr alles einmal mitzumachen. Später sollen sich die anderen kümmern. Die Freien, denen jede Zeile, die sie schreiben dürfen, passend ist. Die davon leben, dass der Frankenburger Einkaufspark eine Party nach der anderen veranstaltet. Und jede so, als sei ab morgen Krieg, als gäbe es nie wieder was zu kaufen.
    Hanns hat den Dreh mit dem Schlafsofa endlich raus. Nun steht es und macht einen gar nicht so schlechten Eindruck. Sandfarben. Eine gute Farbe, es gibt keine Entsprechung in seinem Kopf. Sandfarben ist neutral, da darf er sich draufsetzen, ohne dass sich irgendein Gefühl mit dieser Farbe verbünden könnte.

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