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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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Mick Jagger.
    »Deutsch«, sagte sie. »Ich wurde in Deutschland als Kind zweier polnischer Juden geboren, die getrennt voneinander Auschwitz überlebt haben.«
    »Das muss furchtbar gewesen sein«, sagte Mick Jagger. »Furchtbar ist nicht stark genug, um auszudrücken, was deine Eltern durchgemacht haben müssen.«
    Lola war überrascht, dass Mick Jagger wusste, was Auschwitz war. Viele Menschen wussten es nicht.
    »In manchen Ländern, zum Beispiel in Amerika, wachsen viele Kinder ohne ein echtes Verständnis des Zweiten Weltkriegs auf«, sagte er. »Ich sage nicht, dass die Menschen in Amerika damals keine schrecklichen Erfahrungen gemacht haben. Lebensmittel waren rationiert, es herrschte Mangel, und Menschen starben, doch im Unterschied zu den Menschen in Europa und Russland machten sie nie die Erfahrung, dass morgens beim Aufwachen das Haus gegenüber zerstört war.« Sein ganzer Ärger über ihre Frage nach seiner Verantwortung als Person des öffentlichen Lebens war wie weggeblasen. Er wirkte nachdenklich und bewegt.
    Lola hatte sich nie gefragt, was die Menschen in Amerika machten, während die Familien ihrer Mutter und ihres Vaters ermordet wurden. Was sie begriffen hatte, war, dass auf der ganzen Welt offenbar nur wenige Menschen Anteil genommen hatten.
    »Man hat dich rebellisch genannt«, sagte Lola. »Hältst du dich für rebellisch?« Es war eine lächerliche Frage an jemanden, der in einem Lehnsessel saß und sensibel und besorgt aussah. Mick Jagger lachte. »Findest du, dass ich rebellisch aussehe?«, fragte er.
    »Ich bin mir nicht sicher, wie man aussieht, wenn man rebellisch aussieht«, sagte Lola und kam sich ein bisschen blöd vor.
    »Also gut, es gibt Dinge in dieser Gesellschaft, die ich in Frage stelle«, sagte Mick Jagger. »Aber meine Generation ist nicht die erste, die die Werte der vorangegangenen Generation in Frage stellt. Das heißt nicht, dass ich ein Rebell bin. Meine Generation ist eine der ersten, die sich nicht um materielle Dinge wie Essen oder ein Dach über dem Kopf sorgen müssen. Wir stellen manche Dinge in Frage, zum Beispiel Kriege, wie andere Generationen das nicht tun konnten. Sie konnten die Moralvorstellungen ihrer Gesellschaft nicht in Frage stellen, weil man über Moral nicht nachdenken kann, wenn man hungrig ist und einem der Magen knurrt.«
    Lola wusste, dass man sehr hungrig sein und trotzdem über Moral nachdenken konnte. »Meine Mutter wog fünfunddreißig Kilo, als sie aus Stutthof befreit wurde, dem Vernichtungslager, in das man sie von Auschwitz aus gebracht hatte«, sagte Lola. »Sie litt an schwerer Unterernährung, an Typhus, und alle ihre Zähne waren locker. Sie hatte sechs Jahre lang Hunger gelitten. Aber sie sagte immer wieder, dass es nicht reichte zu überleben, man musste auch als Mensch
überleben. Als ich klein war, verstand ich nicht, was sie damit meinte. Ich fragte mich, ob Menschen sich plötzlich in Elefanten oder Ratten verwandeln könnten, und ich dachte, wenn sie es könnten, wäre es wichtig, zu versuchen, dies zu vermeiden. Als ich älter war, verstand ich, dass sie etwas ganz anderes meinte, wenn sie davon sprach, nicht zum Tier zu werden. Sie quälte sich mit der Frage, ob sie, um zu überleben, irgendetwas auf Kosten anderer getan hatte, und diese Frage quält sie auch heute noch. Sie führt deswegen immer auf Jiddisch Selbstgespräche.«
    »Weißt du viel darüber, was deine Eltern durchgemacht haben?«, fragte Mick Jagger.
    Lola wusste, dass sie nicht viel wusste. Sie kannte winzige, molekulare Bruchstücke einer vernichtenden Katastrophe. Einer Katastrophe, über die offenbar weder ihre Mutter noch ihr Vater sprechen wollten, obwohl sie es nicht lassen konnten.
    »Am Anfang, als die Deutschen nach Lodz kamen, war es noch nicht so schlimm«, hatte Edek gesagt. Er stammte aus einer sehr wohlhabenden Familie, die Wohnhäuser besaß, Strickfabriken und einen Holzhandel. »Wir waren schon gewohnt an Pogrome. Meine Mutter sagte: Das geht vorüber. Die Deutschen kamen und nahmen unseren Schmuck und unsere Pelzmäntel, aber meine Mutter sagte: Lass sie mitnehmen, was sie wollen, wir brauchen es nicht. Ich und meine zwei Brüder mussten zur Zwangsarbeit. Wir mussten Toiletten reinigen mit unseren Händen und mit den Fingernägeln abkratzen den Schmutz. Sie ließen die Frauen ihre Unterwäsche ausziehen und damit den Fußboden aufwischen.«
    Lola hatte dieses Detail immer gehasst. Selbst mit acht oder neun begriff sie, dass es allein dazu

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