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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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eine Diät von fünfhundert Kalorien. Lola war sich nicht sicher, ob sie sich die Spritzen und das Hungern würde leisten können. Es war vermutlich sehr teuer.
    Cat Stevens kannte sich in der Gegend gut aus. Er war hier aufgewachsen. Er wohnte über dem Moulin Rouge, einem Restaurant, das seinem griechischen Vater und seiner schwedischen Mutter gehörte. Er wirkte wesentlich älter, als er war. Seine Nachdenklichkeit und Introvertiertheit waren ungewöhnlich für einen Achtzehnjährigen. Es war vielleicht keine innere Qual, aber es hatte den Anschein, als könnte es sich später dazu entwickeln.
    Lola mochte Cat Stevens. Er war von einer freimütigen und unkonventionellen Ernsthaftigkeit.
    Lola fragte ihn, ob er gut mit seiner Mutter auskomme. Sie wusste nicht, warum sie ihm diese Frage stellte. Sie war sich nicht sicher, ob sie gewusst hätte, ob sie gut mit ihrer Mutter auskam oder nicht. Woher wusste man das? Sie war mit achtzehn von zu Hause ausgezogen, telefonierte aber jede Woche drei- oder viermal mit ihrer Mutter und besuchte sie ein- oder zweimal. Hieß das, dass sie gut mit ihr auskam? Sie und Renia stritten sich nicht. Vielleicht hieß das, dass sie gut miteinander auskamen.
    Renia hatte über eine Woche geweint, als Lola ausgezogen war, das hatte Edek ihr erzählt. Lola war deswegen bekümmert gewesen. Aber sie glaubte nicht, dass Renia weinte, weil sie sie vermisste. Sie vermutete, Renias Weinen habe mehr damit zu tun, dass Lola nicht mehr da war. Lola wusste, dass es da einen Unterschied gab, konnte aber nicht den Finger darauf legen, worin genau er bestand.
    »Ob ich gut mit meiner Mutter auskomme?«, sagte Cat Stevens. »Ich mag meine Eltern sehr. Ich komme gut mit ihnen aus, aber das war nicht immer so. Wenn man anfangs gut mit ihnen auskommt, kommt man später vielleicht nicht mehr so gut mit ihnen aus.« Lola erschien das als Grundsatz eher etwas wacklig. Für sie klang es vielversprechender, anfangs gut auszukommen, da es einem eventuell ein Übermaß an Wohlwollen verschaffte, wenn es dann anfing schiefzulaufen.
    Sie war sich nicht sicher, wann es zwischen ihr und Renia und Edek angefangen hatte schiefzulaufen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt schieflief. Wenn Edek von ihr als Baby sprach, sagte er stets, was für ein schönes Baby sie gewesen sei. Doch als Lola älter wurde, schien keiner von
beiden noch besonders viel Lob oder Bewunderung für sie übrigzuhaben.
    Sie waren entsetzt, als sie sich mit fünfzehn entschied, Beatnik zu werden. Sie färbte sich die Haare schwarz und besorgte sich das blasseste, weißeste Make-up, das sie finden konnte. Das sah schon gespenstisch aus, aber Lola übte und perfektionierte auch noch den angemessen finsteren Gesichtsausdruck eines ernsthaften Beatniks.
    »Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich acht war«, sagte Cat Stevens.
    »Wirklich?«, sagte Lola. Sie kannte nicht viele Leute, deren Eltern geschieden waren. Vielleicht waren Scheidungen in Australien weniger verbreitet. Mit Sicherheit waren sie unter Juden weniger verbreitet. Vielleicht steckte in den jüdischen Genen schon zu viel Verlust, als dass man sich freiwillig von jemandem getrennt hätte.
    »Manchmal wünsche ich mir, meine Eltern würden sich scheiden lassen«, sagte Lola zu Cat Stevens. »Sie sind nie unterschiedlicher Meinung. Sie streiten sich nie und widersprechen einander nie. Jedenfalls widerspricht mein Vater nie meiner Mutter. Wenn sie geschieden wären, würde ich vielleicht zu irgendetwas, was auch immer, einmal eine zweite Meinung hören.«
    »Eine zweite Meinung wozu?«, fragte Cat Stevens.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lola. »Manchmal wäre es einfach gut, eine andere Ansicht zu hören. Zu irgendetwas. Dazu, dass ich dick bin.«
    »Du bist okay«, sagte Cat Stevens. »Wahrscheinlich liegt es an deiner Schilddrüse.« Woher wusste Cat Stevens über Schilddrüsen Bescheid, fragte sich Lola.
    »Meine Mutter hat meine Schilddrüse testen lassen, als ich zwölf war«, sagte Lola. »Sie war in Ordnung.«
    Cat Stevens strahlte Einsamkeit aus, trotz seines flotten schwarzen Huts und der runden dunklen Drahtgestellbrille. In weniger als einem Jahr würde er wegen Tuberkulose mehrere Monate im Krankenhaus verbringen. Der Krankenhausaufenthalt und die einjährige Rekonvaleszenz würden sein Leben verändern. Er würde Vegetarier werden, zu meditieren beginnen, introspektive Songs schreiben, verschiedene Religionen studieren und jeden Aspekt seines Lebens in Frage

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