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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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wusste, wie man sich als Kind fühlte, wenn zu vieles unberechenbar war. Und unverständlich. »Meine Eltern haben sich nicht scheiden lassen und haben sich nie gestritten«, sagte sie. »Aber sie waren auch nicht da. Nur scheinbar. Aber eigentlich nicht. Sie waren wie auf einem anderen Planeten.«
    Jahrzehnte später begriff Lola, dass sie recht gehabt hatte.
Dass die Renia Bensky, die in der Küche mit den Töpfen schepperte, wenn sie sie aus dem Schrank nahm, oder mit dem alten, lauten Fleischwolf Hackfleisch zubereitete, eigentlich gar nicht da war. Renia Bensky war irgendwo anders. Sie war bei ihren Toten.
    In den Vernichtungslagern war es unmöglich, um die Toten zu trauern. Es gab keine Abschiede, keine Begräbnisse, keine Gedenksteine. Wie viele andere verharrte Renia in der immer gleichen Endlosschleife des Dialogs mit ihren Toten. Für Renia Bensky waren die Toten immer noch lebendig. Sie nahmen in ihrem Herzen den meisten Raum ein.
    »O Mann«, sagte Jimi Hendrix, »Eltern zu haben, die da sind und doch nicht da sind, das muss sehr schwer gewesen sein.«
    »In meiner Erinnerung war es nicht schwer«, sagte Lola. »Und ich erinnere mich nicht, als Kind je geweint zu haben.«
    »Ich habe geweint, als meine Mutter starb«, sagte Jimi Hendrix.
    Ein betretenes Schweigen breitete sich aus. Als wären sie beide überrascht und ein wenig verlegen über die unerwartete Wendung des Gesprächs. Lola stellte fest, dass sie sich beim Reden zur Seite gelehnt hatte. Sie setzte sich wieder gerade. Sie bemerkte ein paar winzige Papierschnipselchen, die zu Boden segelten. Vielleicht würde Jimi Hendrix sie für Schuppen halten, dachte sie.
    »Waren Sie aufgebracht, wenn Ihre Eltern sich stritten?«, fragte sie ihn.
    »Klar«, sagte Jimi Hendrix. »Mann, ich habe es gehasst. Ich habe mich immer in einem Wandschrank versteckt. Kinder wissen, was los ist, ohne dass man ihnen etwas erzählt. Bei den Streitereien ging es meist um Geld. Ich wusste Bescheid und hasste es. Ich habe viel Zeit in diesem Wand
schrank verbracht. Ich habe auch darin geschlafen. Er war mein Schlafzimmer.«
    Der Gedanke, einen Wandschrank als Schlafzimmer zu haben, beeindruckte Lola. Als Lola klein war, dachte sie sich Geschichten aus über sich und ihre Eltern, darüber, dass sie nur eine einzige gemeinsame Decke hätten. In Wahrheit hatten Lola und ihre Eltern, die in Australien in einem Reihenhaus mit acht Zimmern wohnten, das sie sich mit sieben weiteren Familien teilten, mehrere Decken. Die acht Familien teilten sich ein kleines Badezimmer und eine kleine Küche, aber Renia, Edek und Lola hatten zahlreiche Decken.
    Die Menschen waren wie gebannt, wenn Lola beschrieb, wie sie abwechselnd diese eine Decke benutzten, was für jeden von ihnen, für Lola, ihre Mutter und ihren Vater, bedeutete, dass sie zweieinhalb Tage in der Woche eine Decke hatten. Kinder, die wirklich arm waren, die keine Schuhe und nur zerlumpte Kleidung hatten, fingen an zu weinen, wenn Lola diese Geschichte erzählte. Und Lola fand das merkwürdig befriedigend.
    Jimi Hendrix hatte recht, dachte Lola. Kinder wussten immer, was los war, man musste ihnen nichts sagen. Lola fühlte sich von der Vergangenheit ihrer Eltern durchdrungen. Sie hatte sich schon immer so gefühlt, seit sie klein war. Sie wusste nicht, woher sie so viel wusste.
    Niemand hatte sich je mit ihr hingesetzt und über die Vergangenheit gesprochen. Renia Benskys Mund war meist fest verschlossen, ihr Kopf über die Nähmaschine oder einen Kochtopf gebeugt. An sechs Abenden in der Woche nähte Renia für eine Fabrik in Fitzroy im Akkord Ärmel in Kleider ein. Edek sagte nicht viel, wenn er zu Hause war. Er saß abends in einem ärmellosen Unterhemd auf dem Bett und war nach seiner Doppelschicht in der Fabrik zu müde zum Sprechen.
    »Meine Eltern haben getrennt voneinander Auschwitz überlebt, das Vernichtungslager der Nazis«, sagte Lola. »Und obwohl sie lebend herausgekommen sind, ist ein Teil von ihnen dortgeblieben. Teile von ihnen blieben dort zurück.«
    Jimi Hendrix nickte.
    Lola dachte, dass Jimi Hendrix genau verstand, wovon sie sprach. Er schaffte es, seine Mutter als tolle Mutter in Erinnerung zu behalten, ungeachtet der Tatsache, dass sie zu viel trank und nicht auf sich und auch nicht auf ihn aufpassen konnte. Er schaffte es, trotzdem das Gute in ihr zu sehen. Jimi Hendrix würde nicht denken, dass Lola meinte, ein Schal oder ein Gürtel sei in Auschwitz zurückgeblieben.
    »Sind Sie jüdisch?«, fragte

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