Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
Vom Netzwerk:
Jimi Hendrix.
    »Sehr«, sagte Lola.
    Jimi Hendrix lachte. »Meinen ersten Auftritt hatte ich im Keller einer Synagoge, Temple De Hirsch Sinai in Seattle. Es lief nicht gut.«
    »Warum?«
    »Ich wurde zwischen den Sets rausgeschmissen«, sagte er.
    Lola fing an zu lachen. »Wieso?«
    »Wegen Angeberei«, sagte Jimi Hendrix. »Ich habe versucht, aus meiner Seele heraus zu spielen, und die anderen Bandmitglieder dachten, ich spiele mich auf.«
    »Vielleicht dachten sie, dass alles, was in Synagogen und Kirchen mit der Seele zu tun hat, sehr still ablaufen müsste«, sagte Lola.
    Für jemanden, der sich auf der Bühne mit seinem Körper und seiner Stimme so unverfroren, unmissverständlich und hemmungslos ausdrückte, war Jimi Hendrix' Sprache überraschend zögerlich. Für einen Mann, der mit so energiegeladener Dringlichkeit seine Gitarrensaiten zupfte und streichelte, war Jimi Hendrix unerwartet bedächtig. Er sprach
langsam, und seine Stimme war leise. Er dachte nach, ehe er ihre Fragen beantwortete. Er sprach verhalten, stockend, seine Worte kamen in Gruppen von dreien oder vieren aus seinem Mund.
    Seine Lippen, die auf der Bühne so verwirrend lustvoll gewesen waren, formten jetzt sorgfältig Vokale und Konsonanten. Jimi Hendrix' Lippen hatten jetzt eine beinahe keusche Reinheit. Sein Becken wirkte nur noch funktionell. Es war nicht mehr gefährlich. Es erschien nur noch wie ein Gerüst aus Knochen am unteren Ende seiner Wirbelsäule, an dem seine Glieder befestigt waren. Ein ganz normales, alltägliches Becken.
    Es gab vieles an Jimi Hendrix, das ganz normal wirkte, dachte Lola. Ein Gefühl der Demut umgab ihn. Sein Hit »Hey Joe« stand in dieser Woche in London auf Platz vier der Charts des Melody Maker . »Purple Haze« kam nächsten Monat heraus. Rockstars strömten zu seinen Auftritten.
    Ein paar Abende zuvor, im Bag O'Nails, dem ausgesprochen feuchten, aber ultracoolen Kellerclub in Soho, hatte Lola mitbekommen, wie Brian Jones jeden in Hörweite wissen ließ, Jimi Hendrix sei einer der besten Gitarristen, die er je erlebt habe. Brian Jones war sehr aufgeregt gewesen. Brian Jones wirkte auf Lola nicht wie ein Mensch, der leicht in Aufregung geriet. Sie hatte ihn nur ein paarmal gesehen, doch jedes Mal war er ihr ziemlich stoisch vorgekommen. In ein paar Monaten würde Lola Brian Jones beim Monterey International Pop Festival in Kalifornien wiedersehen. In Monterey würde er sogar noch stoischer wirken, beinahe komatös.
    Eric Clapton, Paul McCartney, Ringo Starr, Mick Jagger und Brian Epstein, der Manager der Beatles, waren auch gekommen, um Jimi an diesem Abend im Bag O'Nails zu sehen. Alle wollten ihn kennenlernen. Jimi Hendrix' Verhalten
war nichts davon anzumerken. Er war ruhig und nachdenklich. Wenn er Lola versehentlich unterbrach, hielt er sofort inne und sagte: »Nein, bitte sprechen Sie weiter.«
    Der große schwarze, mit Broschen und Buttons verzierte Cowboyhut, den Jimi auf der Bühne getragen hatte, lag neben ihm auf der Bank. Lola betrachtete ihn. Jimi Hendrix kleidete sich offensichtlich sehr sorgfältig. Die Ärmel seines blumengemusterten Satinhemds waren an den Schultern gerafft und an den Handgelenken locker zu Manschetten zusammengefasst. Es sah aus, als wäre es für ihn angefertigt worden.
    Außerdem trug Jimi Hendrix Samthosen. Hosen aus Knautschsamt in leuchtenden Farben. Kein Mann, den Lola kannte, trug Knautschsamthosen. Knautschsamt war etwas für Mädchen. An Jimi Hendrix war jedoch nichts Mädchenhaftes.
    Auf der Bühne konnte man unmöglich vergessen, dass Jimi Hendrix einen Penis hatte. Er rieb seine Gitarre an seinem Penis. Er wölbte die Hüften vor. Er machte kurze, harte, rhythmische Bewegungen mit seinem Unterleib. Fast schien sein Penis die Gitarre zu spielen. Musik zu machen. Und sich unverblümt an das Publikum zu wenden. Was ein bisschen unangenehm werden konnte, wenn man, wie Lola Bensky, nicht viel Erfahrung im Dialog mit einem Penis hatte.
    Während sein Penis sich spreizte, reckte und bebte, verlor sich Jimi Hendrix in seiner Musik. Er verschmolz mit den heulenden, schmeichelnden, stöhnenden, flehenden Tönen. Die Bewegungen seines Körpers gingen völlig in der Musik auf und wurden eins mit ihr. Man konnte unmöglich sagen, welcher Teil von ihm bei welcher Note was tat. Jimi verschmolz mit seinem Vibrato, das er so steuerte und kontrollierte, bis jeder Ton wie eine menschliche Stimme klang.
    Lola beneidete Jimi um die Fähigkeit, sich so sehr in etwas zu

Weitere Kostenlose Bücher