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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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als Durchbruch.
    Otis beendete seinen Auftritt mit »Try a Little Tenderness«. Er begann den Song sehr, sehr langsam, jede Silbe war mit Zärtlichkeit gesättigt, dann erhöhte er das Tempo und steigerte sich, bis er fast nur noch als verschwommener Fleck erkennbar war. Das Publikum tobte.
     
    Es war Sonntagnachmittag, und Ravi Shankar sollte gleich auf seiner Sitar spielen. Er saß auf der Bühne und stimmte die Saiten. Bevor Ravi Shankar zu spielen begann, erklärte er den Zuschauern, dass die Musik, die er spielen würde, sehr spirituell sei, und bat sie darum, nicht zu fotografieren. Er dankte dem Publikum auch im Voraus dafür, dass nicht
geraucht wurde. »Ich liebe euch alle«, sagte er. »Und bin so dankbar für die Liebe, die ihr mir schenkt.«
    In Indien konnten Konzerte über zehn Stunden dauern. Vier oder fünf Stunden waren für ein Konzert nicht ungewöhnlich. In Monterey spielte Ravi Shankar drei Stunden. Das Publikum war gebannt, hypnotisiert. Lola war unruhig, zappelig und gelangweilt. Drei Stunden Sitarmusik waren lang. Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her, sah auf die Uhr und beobachtete die Zuhörer. Sie fühlte sich ein wenig schuldig, dass es ihr nicht gelang, an diesem Austausch von Liebe teilzuhaben.
    Jahre später erblickte sich Lola zu ihrem Entsetzen in den Outtakes von D. A. Pennebakers Dokumentarfilm über das Monterey International Pop Festival. Das Publikum war still, gebannt und verzückt. Und dazwischen Lola, die von rechts nach links schaute. Völlig ungerührt von Ravi Shankar.
    Später am Abend war Lola hellwach, als erneut Janis Joplin und Big Brother and the Holding Company auf die Bühne kamen. Janis Joplin hatte ein neues Outfit. Sie trug eine Tunika aus Goldlaméstrick und Schlaghosen aus dem gleichen Material. Dazu zierliche, spitze Slipper mit niedrigem Absatz. Ihr Gesicht war dick geschminkt, was sie nicht nötig hatte, wie Lola fand. Die Narben in ihrem Gesicht wurden so eher hervorgehoben. Doch Lola wusste, dass niemand, der Janis Joplin singen hörte, sich ihre Haut genauer ansehen würde.
    Wieder begann Janis Joplin »Ball and Chain« sehr langsam. Zwei Minuten später lag ihre ganze Intensität offen zutage. Auf der Bühne verwandelte Janis Joplin sich in eine andere. In jemanden, der nichts Mädchenhaftes an sich hatte, nichts Unbeholfenes, nichts Fröhliches. Sie verwandelte sich in einen Menschen voller Schmerz. Voller Sehnsucht. In je
manden, der sehr viel Liebe in sich trug. Jemand mit einem gekränkten Herzen. Und inmitten dieses Schmerzes und dieser Sehnsucht lag noch etwas anderes, Sexualität. Jede Silbe von Janis Joplins Gesang war von ihr erfüllt und durchdrungen. Das Publikum geriet völlig aus dem Häuschen. Etwas an Janis Joplins Schmerz und ihrer Fähigkeit, sich so zu öffnen, so viel zu empfinden, berührte Lola tief. Doch Janis Joplins brennende Sexualität verstörte sie. Sie vermutete, dass sie Janis Joplin um ihre Fähigkeit beneidete, so eins zu sein mit diesem Teil ihrer selbst. Es war das Gegenteil davon, sich Diäten auszudenken.
    Während The Group With No Name und danach Buffalo Springfield spielten, machte Lola sich Notizen. Darüber, dass sie versuchen wollte, mehr an ihre Sexualität zu denken. Nachdem sie eine knappe Seite ihres Notizbuchs vollgeschrieben hatte, stellte sie allerdings fest, dass ihr völlig unklar war, wie sie auch nur damit anfangen sollte, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Und es war kein Thema, bei dem man andere einfach um Rat fragen konnte.
    Der Anblick von Pete Townshend holte Lola auf die Erde zurück. Sie hörte auf, sich über sich oder die eher sinnlichen, libidinösen Aspekte von Janis Joplins Persönlichkeit Gedanken zu machen. Sie sah Pete Townshend und die übrigen Mitglieder von The Who auf der Bühne und empfand immer noch das gleiche Unbehagen wie damals, als Pete Townshend sie angeschrien hatte. Die Bandmitglieder waren wie Dandys aus einem anderen Jahrhundert gekleidet. Üppige Rüschen schmückten Pete Townshends Hemdbrust. Sein gemustertes Jackett wirkte wie aus Seidenbrokat-Möbelstoff geschneidert. Dandy nannte man einen Mann, der übermäßig viel Wert auf eine stilvolle, modische Erscheinung legte. Lola fragte sich, warum diese Beschreibung so gut auf Pete
Townshend zu passen schien. Wahrscheinlich wegen seines aufgesetzt-arroganten Gesichtsausdrucks.
    Roger Daltrey trug ein goldfarbenes, blumenbedrucktes Cape, das um seinen Hals befestigt war. Lange schwarze Fransen hingen vom Saum des

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