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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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die neuen Kleider und strahlte wie das verwöhnte Nesthäkchen, das sie einmal gewesen war. Lola hatte damals das Gefühl gehabt, Renia mit dieser schönen Kleidung teilweise aus ihrer Trauer zu erlösen. Später dachte sie, dass die Versuche von Kindern Überlebender, ihre Eltern vor der Vergangenheit zu retten, das Leben dieser Kinder manchmal völlig beherrschten.
    »Ich habe mir in einem Secondhand-Laden eine schöne alte Singer-Nähmaschine gekauft«, sagte Janis Joplin.
    »So eine schwarze mit goldenem Filigranmuster?«, fragte Lola.
    »Ja, genau«, sagte Janis Joplin. »Sind die nicht schön? Nähst du auch?«
    »Nein«, sagte Lola. »Ich wünschte, ich könnte es.«
    »Das Erste, was ich auf dieser Nähmaschine genäht habe, war ein blaues Samtkleid für die Bühne«, sagte Janis Joplin. »Aus einem karierten Bettüberwurf habe ich auch schon mal ein Kleid geschneidert.«
    Lola war beeindruckt, dass Janis Joplin nähen konnte. Das hatte etwas so Häusliches, dabei wirkte Janis Joplin mit ihren rauen Kanten und ihrer verletzten Seele nicht gerade wie der Inbegriff mustergültiger Häuslichkeit.
    »Ich muss mir überlegen, was ich anziehe«, sagte Janis Joplin.
    »Das war stark, Mann«, rief Mama Cass ihr zu. Mama Cass stand auf und klatschte in Janis Joplins Richtung. Janis Joplin grinste und strahlte.
    Jefferson Airplane spielten. Mehrere hundert Menschen waren zu Jefferson Airplane auf die Bühne geklettert, um zu tanzen. Grace Slicks kraftvolle Stimme hallte durch die Arena. Die Lichteffekte, die die Gruppe in Szene setzten, verliehen Grace Slicks langem, blassblauen Kleid einen mär
chenhaften, überirdischen Schimmer. Die Gruppe sang »The Ballad of You and Me and Pooneil«.
Immer wieder sang Marty Balin: »Will the moon still hang in the sky when I die, when I die?« Es war eine eindringliche Zeile, doch Lola wusste, der Mond würde immer noch am Himmel hängen. Der Mond schien immer dort zu sein, egal was passierte. Die nächsten beiden Zeilen des Liedes – »When I'm high, when I die« – würde Lola später auf grauenhafte Weise prophetisch finden.
    Der Gedanke an den Mond, der immer noch am Himmel hing, machte Lola traurig und hungrig. Sie beschloss, sich etwas zu essen zu holen. Sie hatte zwei Äpfel und ein hartgekochtes Ei in ihrer Tasche, sie hatte aber keine Lust, das hartgekochte Ei oder die Äpfel zu essen. Sie kaufte sich ein Pastrami-Sandwich und eine Orange.
    Sie erreichte gerade rechtzeitig wieder ihren Platz, als Otis Redding in einem tadellos geschnittenen blaugrünen Anzug schwungvoll auf die Bühne trat. Das Publikum klatschte wie wild. Otis Redding tanzte, schüttelte sich, sang. Seine Bewegungen, die Schritte, das Klopfen und Nicken kamen knapp, blitzschnell, in rasendem Tempo. Jeder Nerv seines Körpers, jede Faser seines Herzens waren hellwach und vibrierten. Er begann mit »Shake« und hielt während seines energiegeladenen, kraftvollen Auftritts nicht einen Augenblick inne. Seine Dynamik und seine Intensität wirkten ansteckend. Er sah aus, als mache ihm das Ganze einen Riesenspaß.
    Otis Redding strahlte eine gewisse Reife aus, dachte Lola. Er wirkte, als wisse er genau, wer er war und was er tat. Nichts an Otis Redding war nachlässig oder unfertig. Kein langes Haar, kein Schnurrbart, kein besticktes Irgendwas. Seine Reife fiel auf in einer Rockmusikwelt, in der jeder jugendlich und radikal wirken wollte.
    Otis Redding war fünfundzwanzig. Er meinte es ernst. Ernst mit seiner Arbeit. Und ernst mit seinem Leben. Mit achtzehn hatte er seine Frau Zelma kennengelernt, und sie heirateten, als Otis Redding zwanzig war. Sie hatten vier Kinder und lebten in einem zweistöckigen Backsteinhaus auf einer Farm in Round Oak, Georgia.
    Otis Redding schrieb viele seiner Songs selbst. Er besaß eine eigene Plattenfirma und investierte, was er verdiente, in Immobilien und Aktien und Anleihepapiere. Außerdem hatte er ein eigenes Flugzeug, eine zweimotorige Beechcraft.
    Lola war sehr beeindruckt von Otis Reddings Geschäftstüchtigkeit. Sie selbst hatte gerade einmal hundert Dollar auf der Bank und keine Ahnung von Aktien und Anleihen.
    Otis Redding hatte große Ideen. Er glaubte, Musik könne Menschen verschiedener Rassen und Kulturen zusammenführen. Otis hatte einen weißen Manager und eine Band, die sich zu gleichen Teilen aus Schwarzen und Weißen zusammensetzte. Otis Reddings Auftritt in Monterey vor einem riesigen, hauptsächlich weißen Publikum galt für einen schwarzen Künstler

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