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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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wie immer bei Jimi Hendrix. Jimi wirkte so wild wie seine Kleidung. Nur sein Lächeln war breit und lässig.
    Kurz bevor er anfing zu spielen, sah er mit unverfälschter Zärtlichkeit auf seine Gitarre hinunter. Einer Zärtlichkeit, wie man sie sonst nur in Filmen sah. Lola fiel auf, dass Jimi Hendrix einen Kaugummi im Mund hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie er gleichzeitig Kaugummi kauen und singen wollte. Aber es ging. Er spielte »Wild Thing«. Er sang zum Wimmern der Gitarre. Es sah aus, als berühre er die Gitarre kaum, als wäre sie ein Teil seines Körpers und so einfach zu bewegen und lenken wie Finger, Zehen oder Zunge. Zwischen den einzelnen Noten kaute er mit offener Sinnlichkeit Kaugummi. Jede Bewegung seines Kiefers wirkte wie ein se
xuelles Manöver. »Sock it to me one more time« sang er und dehnte das S, bis dieser ehemals unschuldige Buchstabe einer ausgedehnten Verführung gleichkam.
    »Wild thing, I think I love you«
sang er und spielte Gitarre hinter seinem Rücken und hoch über dem Kopf, und die Gitarre jaulte und wimmerte, prahlte und sang. Jimi Hendrix ging auf und ab, er hockte sich hin und verrenkte sich, dann schlug er ohne Vorwarnung auf der Bühne einen Purzelbaum und spielte unterdessen die ganze Zeit weiter. Lola hatte das Gefühl, er könnte sich die Zähne putzen, zu Abend essen und alles Mögliche sonst tun, ohne auf seiner Gitarre eine einzige Note auszulassen.
    Mitten im Refrain von »Wild Thing«
spielte er mit der einen Hand ein paar Takte von »Strangers in the Night«, während er sich die andere Hand vors Gesicht hielt, als müsse er sich vor etwas schützen. Vielleicht vor seiner eigenen Leidenschaft? Vielleicht war es auch nur ein kurzer Anfall von Schüchternheit.
    »Aw shucks, I love you«, sang er und stieß seine Gitarre gegen einen Verstärker, ehe er vorne an den Bühnenrand trat und sich auf die Knie fallen ließ. Er legte die Gitarre auf den Boden und spielte darauf, auf Knien und mit einer Hand, während sein Körper zur Musik zuckte und bebte. Man konnte die Zuschauer beinahe nach Luft schnappen hören.
    Während die Band weiterspielte, hob Jimi Hendrix beide Hände, sah die auf der Bühne liegende Gitarre an und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen. Doch die Gitarre rührte sich nicht. Sie blieb auf der Bühne liegen. Jimi versuchte es weiter. Er kommunizierte mit der Gitarre. Rief sie zu sich. Als spüre die Gitarre die Verbindung zwischen ihnen genauso stark wie er. Versuchte er herauszufinden, ob sie reagierte, ohne
liebkost zu werden, fragte sich Lola. Jimi spielte wieder mit der einen Hand auf dem Instrument, während sein Unterleib und sein Oberkörper stießen und bebten und zuckten. Es war eine Liebesszene so heiß und wild wie keine andere, die Lola je gesehen hatte.
    Jimi Hendrix stand auf. Er hielt eine kleine Dose Feuerzeugbenzin in der Hand. Er begann, das Benzin über die Gitarre zu schütten. Die Flüssigkeit ergoss sich in einem dünnen Strahl, als würde Jimi Hendrix urinieren oder ejakulieren. Jimi ging in die Knie und küsste die Gitarre wie bei einem Gebet. Er entzündete ein Streichholz und warf es darauf. Die Gitarre fing Feuer. Jimi war noch immer auf den Knien und beschwor das Feuer mit gewölbten Händen zu brennen. Es wirkte wie ein religiöses Ritual. Der Höhepunkt eines komplexen Rituals der Verehrung. Ein Verbrennen und eine Rückkehr zur Erde.
    Jimi Hendrix verteilte den Rest des Feuerzeugbenzins über die Gitarre. Dann hob er sie auf und fing an, sie wild auf den Boden zu schlagen, bis sie in Stücke zerbrach. Das Publikum wirkte wie betäubt, ehe es in frenetischen Applaus ausbrach.
    Es gab eine kurze Pause, zu kurz, wie Lola fand, bevor The Mamas and the Papas auf die Bühne kamen. Mit ihren klaren Stimmen und schwungvollen Melodien strahlten sie etwas Heiles, Kalifornisches aus. Mama Cass kündigte einen ihrer großen Hits an, »California Dreaming«. »Wir singen diesen Song, weil er uns gefällt und weil er für unseren großen Reichtum verantwortlich ist«, sagte sie lachend.
    Mama Cass wirkte gelöst auf der Bühne. Ihre Stimme war kraftvoll und frei. Es gab keinen Hinweis darauf, dass diese Stimme sich durch große Fettmassen kämpfen musste. Vielleicht, dachte Lola, waren Stimmbänder völlig losgelöst vom
Übergewicht ihrer Besitzer. Mama Cass trug ein voluminöses Kleid mit kurzen, weiten Ärmeln. Das Kleid, das unter der Brust gerafft war, bestand aus vielen Metern Stoff. Lola empfand körperlichen Schmerz beim Anblick

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