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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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haben? Soll ich stolz darauf sein, dass die Amerikaner und die Briten es nicht geschafft haben, die Zugverbindungen nach Auschwitz zu bom
bardieren? Besonders vor der Ankunft der Ungarn. Die Ungarn waren in einem guten Zustand, nicht solche Skelette wie wir. Sie hätten überlebt. Wunderschöne Mütter und wunderschöne Kinder, die ins Gas gingen. Weil es allen egal war. Ist das etwas, auf das man stolz sein kann?«
    »Du solltest stolz darauf sein, dass du nicht gestorben bist«, hatte Lola leise gesagt.
    »Das war nichts, worauf man stolz sein konnte«, erwiderte Renia.
    Renia, das wusste Lola, hatte das Gefühl, dass sie Abbitte dafür leisten musste, nicht gestorben zu sein. Sie hörte nie auf, Abbitte zu leisten. Sie war in ihrer selbstauferlegten Einschränkung nicht weniger gefangen, als hätte sie hinter Gittern gesessen. Renia nahm alle ihre Mahlzeiten, die meist aus Abfällen und Resten bestanden, allein ein, das Gesicht der Spüle zugewandt. Sie aß mit dem Rücken zum Tisch, nachdem Edek und Lola ihre Mahlzeit beendet hatten.
    Renia lachte selten. Sie freute sich selten. Sie fürchtete und schämte sich ständig. Lola hatte das Gefühl, dass Renia vermeiden wollte, dass ihre tote Mutter oder ihr toter Vater, ihre toten Brüder oder toten Schwestern auf den Gedanken kommen könnten, dass sie, die mit dem Leben davongekommen war, auch nur das kleinste Quäntchen Glück erlebe.
    Nicht dass Renia elend gewirkt hätte, dachte Lola. Sie wirkte nur einsam, reserviert und immer etwas abwesend. Als Lola in das Flugzeug gestiegen war, das sie aus Australien forttragen sollte, hatte Renia ein wenig traurig ausgesehen. Das hatte Lola erschreckt. Normalerweise regte sie sich immer auf, wenn es um Lola ging. Darüber, was Lola aß. Und darüber, was sie nicht aß.
    Lola saß in ihrem Apartment am Sunset Boulevard auf
dem Bett und begann, Renia eine Ansichtskarte zu schreiben. Sie hatte eine Karte mit dem riesigen Hollywood-Zeichen auf dem Mount Lee gefunden, der höchsten Erhebung von Los Angeles. Das Zeichen war hundertfünfzig Meter lang, und die Buchstaben waren fünfzehn Meter hoch. Es verfügte über Tausende von Glühbirnen, von denen eine Vielzahl jeden Tag von einem Hausmeister ausgewechselt werden musste, der in einem Haus hinter einem der Ls wohnte. Lola dachte, dass Renia das Hollywood-Zeichen vielleicht interessant finden würde. Renia sah sich gerne Hollywoodfilme an, obwohl sie häufig Anfang und Ende des Films verpasste, weil sie ihre Brille erst dann aufsetzte, wenn es im Kino stockdunkel war, und sie abnahm, lange bevor die Lichter wieder angingen.
    Lola konnte nicht verstehen, warum Renia das tat, denn sie hatte eine schöne Schmetterlingsbrille, deren Fassung mit kleinen künstlichen Rubinen besetzt war. Doch Renia wollte nicht mit Brille gesehen werden. Sie war eine Frau alter Schule, in der noch galt, dass Männer Frauen mit Brille keine Avancen machten. In Wahrheit machten die Männer Renia jede Menge Avancen. Renia strahlte Glamour aus. Und dieser Glamour und die bewundernden Blicke machten Renia eine gewisse Freude.
    Auf der Ansichtskarte erzählte Lola ihrer Mutter von den Sechzehnjährigen, die riesige Autos fuhren, Cadillacs, Pontiacs und Chevrolets. Sie beschrieb die Größe der Cornflakespackungen und die gewaltigen Milchkartons. Sie wollte über die gigantischen Eispackungen schreiben, entschied sich aber dagegen. »Ich habe in meinem Zimmer einen winzigen Kühlschrank«, schrieb sie. »Er ist so klein, dass außer ein wenig Milch und ein paar Äpfeln kaum etwas hineinpasst.« Lola hoffte, das würde Renia versöhnlich stimmen und sie nicht
auf die Idee bringen, dass Lola literweise Milch trank oder große Mengen Cornflakes in sich hineinschlang.
     
    Cher saß im Wohnzimmer ihres Hauses. Sie trug einen einteiligen Hosenanzug, der aussah, als wäre er ihr auf den Leib geschneidert. Es gab keinerlei Zwischenraum zwischen Cher und diesem Hosenanzug. Er bildete die Konturen ihres Körpers nach, der weder Falten noch Beulen noch Wülste aufwies. Alles an Cher wirkte glatt. Ihr Haar war glatt, dicht und glänzte. Lola dachte, dass wahrscheinlich jedes einzelne Haar schimmerte und leuchtete. Chers Arme und das, was Lola von ihren Beinen sah, waren perfekt geformt und hatten einen gepflegten Schimmer. Lola wunderte sich, wie jemand einen so ungezeichneten, einen so narben-, kratzer- und schrammenfreien Körper haben konnte.
    Cher schien sich zu freuen, Lola zu sehen. Sonny ebenfalls. »Hi, wir

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