Lola Bensky
sie sah, schockierte sie. Die Person, die über dem Lenkrad zusammengesackt war, war Jimi Hendrix. Er hatte Quetschun
gen und Schnittwunden im Gesicht. Die Autotür klemmte. Lola fand einen flachen Stein und wuchtete damit wie mit einer Brechstange die Tür auf. Jimi Hendrix atmete noch. Sie horchte auf seinen Atem, um festzustellen, ob ein gurgelndes Geräusch zu hören war. Ein gurgelndes Geräusch war ein möglicher Hinweis auf Blut oder sonstiges Sekret in Nase und Mund. Ein Mann kam auf das Auto zu. »Bitte rufen Sie einen Krankenwagen«, sagte Lola zu dem Mann.
»Das habe ich bereits getan«, sagte er. »Kommen Sie, wir ziehen ihn aus dem Auto.«
»Fassen Sie ihn nicht an«, sagte Lola. »Es ist sehr riskant, Menschen mit einer Kopfverletzung zu bewegen, ein Halswirbel könnte gebrochen sein.«
Jimi Hendrix fing an zu stöhnen. »Alles okay«, sagte Lola zu ihm. »Beweg dich nicht. Der Krankenwagen ist gleich da.«
»Wir müssen ihn aus dem Auto holen und ihn hinlegen«, sagte der Mann.
»Wenn die Halswirbel verletzt sind und wir ihn bewegen, kann es sein, dass wir ihn auf der Stelle zu einem Querschnittsgelähmten machen«, sagte Lola.
»Sind Sie sicher, dass Sie wissen, was Sie tun?«, fragte der Mann.
»Ich weiß, was ich tue«, sagte Lola.
Sie wandte sich an Jimi Hendrix. »Es geht dir bald wieder gut, Jimi«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen.«
»Ich lasse ihn nicht gerne im Auto, so über dem Lenkrad zusammengesackt«, sagte der Mann.
»Wenn er bewusstlos wäre und aus irgendeinem Grund keine Luft mehr bekäme, müssten wir es riskieren, ihn aus dem Auto zu holen und ihn in die stabile Seitenlage zu bringen, damit wir seine Atemwege befreien könnten«, sagte Lola zu dem Mann. »Aber er bekommt Luft, und er ist nicht be
wusstlos, er ist nur benommen. Der Krankenwagen müsste jeden Augenblick hier sein.«
»Ich habe alles gesehen«, sagte der Mann. »Er hat das Steuer herumgerissen, weil er einem gelben Welpen ausweichen wollte, und ist gegen den Baum geprallt.«
Der Krankenwagen kam. »Das haben Sie richtig gemacht, Miss«, sagte der Krankenwagenfahrer zu Lola. »Sie sind nicht das Risiko eingegangen, ihn zu bewegen. Das hätte gefährlich werden können.«
Jimi Hendrix öffnete die Augen, sah Lola an und sagte: »Danke.«
»Der Krankenwagen ist da«, sagte Lola. »Alles wird gut. Aber bitte versuch in Zukunft nicht mehr, das Steuer herumzureißen, um einem Hund auszuweichen, das kann sehr gefährlich werden.«
Lola tauchte aus diesem potentiell tödlichen Drama im Laurel Canyon auf, um Jimi Hendrix seine letzte Nummer spielen zu hören. Jimi war schweißüberströmt. Er sah völlig intakt und unversehrt aus. Lola wusste nicht, warum sie in einen Unfall-Tagtraum mit Jimi Hendrix abgedriftet war. Er hatte es nicht nötig, gerettet zu werden. Er schien absolut imstande, auf sich selbst aufzupassen.
Es war Lola gelungen, Sam und Dave für ein kurzes Interview zu gewinnen. Sie ging hinter die Bühne. Sie wurde schon erwartet. »Wir haben nur fünf Minuten«, sagte ein Assistent zu Lola. Lola schaltete ihr Aufnahmegerät ein.
»Sie sind gerade von einer sehr erfolgreichen Europatournee mit Otis Redding zurückgekommen«, sagte sie. »Gibt es einen Unterschied zwischen Auftritten in Amerika und in Europa?«
»Das Publikum ist an beiden Orten toll«, sagte Dave Prater, »aber der große Unterschied besteht darin, dass es in
Europa und in London keine gesonderten Restaurants für Farbige gibt, keine Hotels für Farbige, keine Eingänge für Farbige, keine Wasserspender für Farbige. Im Hotel wurden wir genauso behandelt wie die anderen Gäste. Wenn man aus Amerika kommt, wo es noch immer Rassentrennung gibt, fühlt man sich wie in einer anderen Welt.«
»Ja«, sagte Sam. »Es war eine andere Welt.«
Lola war schockiert von dem Gedanken, dass es immer noch segregierte Hotels und Restaurants und Wasserspender gab. »Würden Sie sagen, dass Amerika immer noch in erster Linie ein Land der Weißen ist?«, fragte Lola.
»Gar keine Frage«, sagte Dave. »Die Leute lieben unsere Musik, aber uns lieben sie nicht.«
»Noch zwei Minuten«, sagte der Assistent.
»Wie war das europäische Publikum?«, fragte Lola.
»Die Leute waren fantastisch«, sagte Sam. »Im Hammersmith Odeon in London stampften und trampelten sie auf den Rängen so sehr, dass ich dachte, gleich bricht das Ganze zusammen.«
»Sie haben unsere Seele gespürt«, sagte Sam. »Die Seele des Soul ist deine Seele. Du singst den Text,
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