London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
aufgefallen, weil er mit jeder Menge Bargeld um sich geworfen hatte«, sagte Ridpath. »Ich wollte ihm nur ein paar Fragen stellen.«
»Können Sie mit einem Ouija-Brett umgehen?«
Er verstummte und klappte den Ordner zu. Dann seufzte er. Behutsam schob er ihn in einen anderen Bereich seines Schreibtischs. Auf den Friedhof. So ist das, dachte Belsey. Zu allen Zeiten. Der Tod kriegt seine Beute.
»Ich kann nicht behaupten, dass mich sein Tod sonderlich überrascht«, sagte Ridpath.
»Warum?«
»Leute mit einer halben Million Cash müssen so eine Summe ja von irgendwoher haben. Und dort herrscht nicht immer das gesündeste Klima.«
»Woher wissen Sie, dass er so viel Geld hatte?«
»Vor zehn Tagen habe ich eine Verdachtsmeldung von Christie’s in der Old Brompton Road auf den Tisch bekommen, das ist ein Auktionshaus.«
»Ich weiß, was Christie’s ist.«
»Die Meldung besagte, dass er für ein Gemälde fünfhunderttausend bezahlt hat – in bar. Vielleicht war das einfach seine bevorzugte Zahlungsweise. Aber es bedeutet, dass Christie’s verpflichtet ist, uns zu informieren, und wir verpflichtet sind, uns das anzuschauen.«
»Kannten Sie ihn?«
»Nein. Ich habe einfach meine Arbeit erledigt. Wenn mich irgendwer aus den oberen Etagen aufhalten will, dann sagt er mir das schon.«
Belsey nickte. Vielleicht war der ideale Detective der, der sein Gewissen ausschaltete, der im Netzwerk der Justiz einfach an seinem kleinen Rädchen drehte.
»Kommt Ihnen bei Devereux’ Tod irgendwas verdächtig vor?«
»Nein, klingt alles ziemlich eindeutig.«
»Finden Sie?«
»Hören Sie, mein Aufgabengebiet ist die Finanzkriminalität, Todesfälle gehören nicht dazu.« Er lehnte sich zurück mit der Selbstzufriedenheit eines Mannes, der sich entschieden hatte, dass das für ihn erträgliche Maß an Mysterium voll war. Er gefiel Belsey. Ihm gefielen Menschen, die nicht gefallen wollten. Ridpath war unsympathisch.
»Woran hat AD Development gearbeitet?«
»Heißt so seine Firma? Ich habe keine Ahnung.« Ridpath schaute auf seine Uhr.
»Wann haben Sie das erste Mal versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen?«
»Am Montag. Ich habe am Montag und Dienstag ein paarmal versucht, ihn zu erreichen. Dann habe ich auf Ihrem Revier angerufen.«
»Was haben Sie in dem Ordner da?«
»Nichts Besonderes. Nur den ersten Bericht.«
»Zeigen Sie ihn mir?«
Ridpath schaute ihn an. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Sie sind nicht autorisiert.«
Ridpath zog die Schublade seines Schreibtischs auf und holte einen Laib altes, schon bröseliges Weißbrot heraus. Er ging zur Tür und öffnete sie. Einen Meter dahinter stand Midgley, der den Desinteressierten spielte. Belsey folgte Ridpath durchs Büro in den Korridor bis zu einem Fenster, das einen Spaltbreit offen stand. Belsey schaute durch die Dunkelheit hinunter zur Themse.
Ridpath zerbröckelte das Brot, legte die Stücke in einer Reihe auf das Fensterbrett und beobachtete die nach dem Brot schnappenden Tauben. Belsey fragte sich, ob er das Brot von zu Hause mitbrachte. Er fragte sich, ob er überhaupt jemals nach Hause ginge.
»Ich weiß nicht, wie Sie hier reingekommen sind«, sagte Ridpath kühl. »Aber ich würde Ihnen raten, sich den Weg nach draußen von einem der Sicherheitsleute zeigen zu lassen. Man verirrt sich hier leicht.«
»Das glaube ich gern.«
Ridpath ging zu einem Kaffeeautomaten. Als die Maschine das als Cappuccino bezeichnete Getränk freigab, probierte er mit einem Plastiklöffelchen von dem Schaum. Er leckte sich die Lippen.
»Haben Sie nichts anderes mehr zu tun?«, fragte er Belsey, der keine Anstalten zum Gehen machte. Allerdings schien er weniger verärgert als neugierig zu sein.
»Wenn Sie was Neues über Devereux erfahren, sagen Sie mir dann Bescheid?«, fragte Belsey.
»Wohl kaum.«
»Dachte ich mir.«
16
Belsey fuhr nach Kings Cross und parkte ein paar Straßen vom Leichenschauhaus entfernt. Er ging mit gesenktem Kopf durch die geschäftigen, erleuchteten Straßen und dachte: Was spielte Ridpath für ein Spiel? Was stand in der Akte? Und er dachte: Sicher, manche Leute zahlten lieber in bar, sogar sechsstellige Summen, sogar bei Christie’s. Gerade bei Christie’s. Erst kürzlich hatten die Auktionshäuser damit begonnen, mehr Transparenz zu zeigen.
Aber der Gedanke, der ihn am meisten beschäftigte, war der, dass Devereux nicht mehr nur Belseys kleines Geheimnis war. Das System beschäftigte sich mit Devereux, und das System vergisst nie. Es weiß
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