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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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ihres eigenen Stamms hält Pauline ganz besondere Verachtung bereit.
    – Solchen Frauenzimmern wie der kann nicht mal mehr die Jungfrau helfen. Ach, hallo, Edward, mein Lieber!
    – Alles im grünen Bereich, Mrs H!
    – Ach, das ist aber schön, Sie zu sehen, Ned. Wie geht’s Ihnen, mein Lieber? Gut sehen Sie aus, wenn man bedenkt. Sie rauchen doch hoffentlich nicht mehr so viel Hasch?
    – Leider doch, leider doch. Es schmeckt mir halt einfach.
    – Sie verbauen sich damit noch Ihre ganzen Ziele!
    – Ich hab doch sowieso nur ein Ziel.
    – Und das wäre?
    – Sie zu heiraten, ist doch klar. Und das kann’s mir ja wohl kaum verbauen, oder?
    – Ach, Sie, hören Sie schon auf!
    Glücklich, eigentlich wirklich glücklich, und die Sonne lichtet sich und wird purpurn und zerlegt sich zu Streifen hinter dem Aquamarinblau des Minaretts, und das bisschen Wind kräuselt die Georgsflagge oben am alten Block, die dort als Vorbereitung auf das Fußballspiel an einer Satellitenschüssel hängt. Vielleicht ist es ja nicht so schlimm, dass das Leben nie zu etwas Überlebensgroßem erblüht ist. Vor Anker in dem Hafen, aus dem sie aufgebrochen war, so wie es früher fast allen Frauen ging.
    – Leah, Schätzchen, dein Telefon klingelt.
    Sieh sich das einer an: Der Zaun hier rechts ist fast völlig im Eimer. Das Efeu dringt vom Wohnblock durch die Lücken und erstickt alles, was Michel zu pflanzen versucht, bis auf den Apfelbaum, der ihnen allen zum Trotz einfach weiterwächst, ganz ohne Hilfe. Sie schreibt an die Bezirksverwaltung, aber die hören nicht, Ned schreibt nie, Gloria auch nicht, sie leben gemeinschaftlich, aber sie ist die Einzige, die auch gemeinschaftlich denkt und großer Gott dieser arme heimatlose Wurm so bleich in der Sonne. Wie eine Vorhaut, über sich selbst geschoben, vor und zurück, vor und zurück. Keiner liebt mich keiner kann mich leiden denn ich bin nur ein wabbeliger Wurm. Aber wer ist die
    diese Stimme
    so leise
    und so brutal, direkt in ihrem Ohr, und sie glaubt, nicht richtig verstanden zu haben, sie glaubt, verrückt zu werden, sie glaubt
    – Wie bitte?
    – Hast du kapiert? Komm nicht mehr her!
    – Wie bitte? Woher haben Sie diese Nummer?
    – Das Mädchen ist meine Sache. Komm nicht mehr her und schieb uns Müll unter der Tür durch, kapiert? Pass bloß auf. Ich kenn dich. Wenn du noch mal hier aufkreuzt, dann pass bloß auf.
    – Wer spricht denn da?
    – Scheiß Lesben-Fotze.
    Der Wurm zieht sich in der Mitte zusammen, er hat ja nichts anderes. Terrassenplatten links von ihm, Terrassenplatten rechts.
    – und dann kostet bei Poundland genau dieselbe Packung – derselbe Hersteller, ja? – nur zwei neunundvierzig! Aber wenn man in solchen Läden einkauft, ist man auch selber schuld, mehr gibt’s da nicht zu sagen. Leah, Schätzchen? Leah? Leah? Wer war denn das? Am Telefon. Geht es dir gut?

19
    Die Ehre der Ehefrau muss verteidigt werden. Das ist etwas ganz Urzeitliches, erklärt er, und verweist auf die großen Affen aus dem Dokumentarfilm. So wie das Affenweibchen die Babyaffen verteidigt, beschützt der Affenmann sein Weibchen. Michel ist sehr glücklich in seinem Zorn, der sie zueinander unter diesen Baldachin zieht. So eine schöne Zeit hatten sie seit Monaten nicht miteinander. Sie sitzt am Küchentisch, hält sich selbst umschlungen, während er auf und ab geht und mit den Armen durch die Luft fuchtelt wie ein großer Affe. Auch sie ist ein guter Affe; sie will zum gemeinsamen Glück ihrer Affenfamilie beitragen. Und dieser absolut akzeptable Wunsch bringt sie dazu zu sagen:
    – Ich glaube ja. Ich glaube, er war’s. Nur von der Stimme her ist das schwer zu sagen. Bitte, das ist fast zwanzig Jahre her, dass ich ihn irgendwie näher kannte. Aber ich würde sagen: ja. Wenn du was Hundertprozentiges von mir hören willst, dann nein, so genau kann ich das nicht sagen, aber mein erster Gedanke war ja, das ist er, das ist Nathan.
    Es passiert so wenig in dieser Ecke von NW . Und wenn es mal Aufregung gibt, ist es doch ganz natürlich, dass man auch auf dem Bild sein will, genau in die Mitte. Und es klang nach ihm. Wirklich. Sie erzählt es Michel. Sie erzählt Michel alles, bis auf ein Wort.

20
    Zurück von der Filiale der Supermarktkette, wo sie einkaufen, obwohl der örtliche Lebensmittelhändler deswegen schließen musste und sie Hungerlöhne zahlen, mit neuen Plastiktüten, obwohl sie eigentlich alte hätten mitnehmen sollen, und darin Brokkoli aus Kenia, Tomaten aus Chile, unfair

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