London
beginnen!« Die römische Tradition mußte erhalten bleiben.
Deshalb stand Bischof Mellitus nun zwischen den verlassenen Ruinen von Londinium. Auch er sah die Vorteile dieses Ortes. Einerseits lag er in der Nähe eines florierenden Handelsstützpunktes, andererseits hatte er eine majestätische Vergangenheit. Die alten Tempel in der Nähe waren beeindruckend. Die kleine Kirche, die er bauen wollte, würde seine Kathedrale sein; er hatte sich auch schon einen Schutzheiligen dafür ausgesucht. Die Kirche sollte dem Apostel Paulus geweiht sein.
Diese Nacht verbrachte der Bischof mit seinem Gefolge in Cerdics Halle. Mit ihm reisten drei Diener, zwei junge Priester und ein älterer Edelmann von König Ethelberts Hof. Cerdic wollte dem Missionar zwar gerne ein Festmahl auftischen, doch dieser bat ihn, davon abzusehen.
»Ich bin ein wenig müde«, gestand er. »Und ich kann es kaum erwarten, zum König von Essex weiterzuziehen. Im nächsten Monat komme ich wieder zu Euch zurück. Dann werde ich auch zu predigen und zu taufen beginnen. Danach könnt Ihr Euer Festmahl veranstalten!« Am nächsten Morgen vor seinem Aufbruch wollte er jedoch noch eine Messe an dem Ort abhalten, an dem die neue Kirche stehen sollte. Cerdic überredete den Bischof immerhin, mit seinem Gefolge in seiner Halle zu übernachten, während er und seine Familie sich in die Scheune zurückzogen.
Früh am nächsten Morgen führte Bischof Mellitus seine kleine Schar in die leere Stadt. Einer der jungen Priester nahm einen Krug Wein mit, der andere einen Beutel mit Gerstenfladen. Der Edelmann von König Ethelberts Hof trug ein schlichtes, großes Holzkreuz, das an der ausgewählten Stelle am Hügel in den Boden gesteckt wurde. Dann schickten sich Mellitus und die beiden Priester an, eine einfache Messe abzuhalten.
Cerdic blickte sich stolz um. Er und König Ethelberts Edelmann würden das Brot der heiligen Kommunion empfangen, und seine Familie würde zusehen. »Ich bin bestimmt der einzige nördlich der Themse, der getauft ist«, flüsterte er dem Edelmann zu. Zu gegebener Zeit, wenn die Kathedrale stand, würden sicher die Könige von Kent und Essex mit ihrem Gefolge hier der Messe beiwohnen, und er würde dann einen Ehrenplatz zwischen ihnen einnehmen, da er dem Bischof bei der Errichtung des Baus geholfen hatte. Nur eines störte ihn. Am Vorabend hatten ihn seine beiden älteren Söhne gefragt, ob sie sich für den nächsten Tag entschuldigen könnten. »Warum?« hatte er wissen wollen. »Wir wollen auf die Jagd gehen«, hatten sie ganz beiläufig bemerkt. Er war vor Wut außer sich geraten. »Ihr werdet uns begleiten und euch benehmen!« hatte er gebrüllt. Und als die Jungen ihn gebeten hatten, ihnen doch die Bedeutung der Zeremonie zu erklären, hatte er nur erwidert: »Das kann euch völlig gleichgültig sein. Ihr werdet eurem Vater und eurem König die nötige Ehrerbietung erweisen!«
Mellitus hielt nur eine kurze Predigt, in der er sich über die guten Eigenschaften des sächsischen Königs von Kent ausließ und über die Freude, die sie alle an diesem Ort der Andacht verspüren sollten. Er beherrschte die angelsächsische Sprache gut und sprach gefühlvoll mit sorgfältig gewählten Worten. Cerdic nickte immer wieder zustimmend. Dann kam die Kommunion. Das Brot und der Wein wurden geweiht. Stolz traten Cerdic und der getaufte Edelmann vor und nahmen am Wunder des heiligen Abendmahls teil.
Elfgiva verstand wenig von diesen fremden Riten, wollte jedoch nach wie vor ihrem Mann gefallen und drängte deshalb die vier Söhne: »Tut es eurem Vater gleich!«
Also traten auch Cerdics vier Söhne leicht verlegen vor und knieten sich vor dem römischen Priester auf den Boden. Cerdic, der bereits kniete, sah nicht, daß sie nähergekommen waren. Als er aufstand und wegtreten wollte, hörte er, wie der Priester fragte: »Seid ihr denn getauft?«
Die vier Jungen blickten ihn mißtrauisch an. »Gebt uns das Zauberbrot!« sagte der älteste. »Ihr habt es doch auch unserem Vater gegeben.« Damit wies er auf Cerdic.
Mellitus starrte sie an. »Zauberbrot?«
»Ja. Wir wollen das Zauberbrot.« Und einer der vier, der sich nichts Böses dabei dachte, langte in die Schüssel mit den Brotstücken, die der Priester in der Hand hielt.
Mellitus trat einen Schritt zurück. »So geht ihr mit der Hostie um? Habt ihr keine Ehrfurcht vor dem Körper und dem Blut unseres Herrn?« schrie er erzürnt. Da die vier jungen Sachsen ihn nur völlig verständnislos
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