Londons Albtraum-Nächte
verschwitzt war.
Fast eine Minute blieb sie in ihrer Haltung so im Sessel sitzen. Danach streckte sie die Beine aus und merkte, dass sich ihr gesamter Körper steif anfühlte. Ihr Gesicht war erhitzt. Auf den Wangen zeichneten sich bestimmt rote Flecken ab, und im Mund spürte sie einen pelzigen Geschmack.
Auch leichte Kopfschmerzen quälten sie. Der kurze Tiefschlaf hatte ihr zwar gut getan, doch er hatte Folgen. Es konnte auch am Wetter liegen, denn die Luft drückte. Als Mary aus dem Fenster schaute, da sah sie die Tropfen wie zerlaufende helle Perlen an der Außenseite. Es regnete also weiter.
Sie stand auf.
Der Bildschirm zeigte einen Werbespot. Zu sehen war eine junge Frau, die so fröhlich und cool war, weil sie eine bestimmte Diätwurst aß und dabei nicht zunahm.
»Wer’s glaubt«, murmelte Mary und ging die ersten Schritte auf die Hausschuhe zu, die unter dem kleinen Glastisch standen. Es waren flache und bequeme Treter, die sie schon seit drei Jahren besaß und nur im Haus trug.
Den Fernseher ließ sie laufen, als sie in die Küche ging. Die Kopfschmerzen waren geblieben. Sie spürte die Stiche nach jedem Auftreten in der Stirn und besonders direkt hinter den Augen. Mary glaubte nicht, dass sie an einer Erkältung litt, das war wieder der verdammte Wetterwechsel. Es sollte ja kälter werden. Man hatte sogar Schnee bis in die Niederungen angesagt.
Gegen ihre Kopfschmerzen halfen die Tabletten. In der Küche fand sie die Pillen nicht. Sie lagen im Bad auf einer schmalen Ablage unter dem Spiegel.
Gähnend betrat sie den kleinen Raum. Aus dem Luft verschlossenen Kissen drückte sie eine Pille heraus, nahm noch eine zweite und füllte Wasser in ein Zahnputzglas.
Die Tabletten verschwanden im Mund. Das Wasser schluckte sie hinterher und merkte, wie es als kalter Strom ihrem Magen entgegenlief. Das Spiel war ihr bekannt. Zwei Tabletten mussten reichen, dann würde sie Ruhe haben. Und am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder ganz anders aus.
Wirklich?
Mary schaute in den Spiegel. Sie fand ihr Gesicht zerknittert. Schlaffalten hatten sich gebildet. Die Haut wirkte alles andere als gesund, aber da musste sie durch. Es war zudem ganz natürlich und fiel nicht aus der Reihe.
Sie hatte auch keine Lust, eine Freundin anzurufen. An diesem Abend wollte sie allein bleiben und einfach nur gammeln. Hunger verspürte sie keinen. Normalerweise hätte sie um diese Zeit gegessen, doch diesmal ließ sie es bleiben.
Mary Sanders drehte sich vom Spiegel weg, um das kleine Bad zu verlassen. Sie befand sich noch mitten in der Bewegung, als sie das komische Geräusch hörte.
Sofort stand sie still.
Das Geräusch hatte sie sich nicht eingebildet. Es war hier in diesem kleinen Raum entstanden, doch sie selbst hatte damit nichts zu tun gehabt. Das wunderte sie und sorgte für die Beunruhigung.
Jetzt wieder!
Mary zuckte zusammen. Ein Klatschen war es gewesen. Danach hatte sie einen schwachen, dumpf klingenden Laut gehört. Und sie hatte die Richtung feststellen können.
Aus großen Augen schaute sie auf die Toilette, denn genau dort war das Geräusch entstanden. Es gab keine andere Lösung. Sie hatte es darin gehört, denn von außen war nichts zu sehen.
Wieso das? Was war da passiert?
Sie fand keine Antwort auf ihre Fragen. Aber diese Geräusche waren schon unheimlich und auch so anders. Sie stand auf dem Fleck und traute sich nicht, auf die Toilette zuzugehen. Der beige Deckel war geschlossen. Alles spielte sich unter ihm ab, und manchmal hörte sie auch das Platschen, als wäre jemand zurück in das Wasser gefallen.
Wer denn?
Woher kam er?
Mary Sanders wurde immer nervöser. Ihre Kopfschmerzen waren vergessen.
Sie schaute nur auf die Toilette und ließ vor allen Dingen den Deckel nicht aus den Augen.
Bewegte er sich?
Ja, es war keine Täuschung. Der Deckel bewegte sich tatsächlich. Er musste von unten Druck bekommen haben, der allerdings noch nicht so kräftig war, denn er sprang nur immer ein winziges Stück in die Höhe, um dann wieder zurückzufallen. Mary hatte nie erkennen können, was sich unter dem Deckel befand.
Und so musste sie abwarten. Sie hätte auch wegrennen können. Dazu fühlte sich die Frau seltsamerweise nicht fähig. Dieser Anblick und die Geräusche fesselten sie, und fast wäre sie auf die Toilette zugegangen, um nachzuschauen.
Ein hartes Geräusch hielt sie zurück. Plötzlich spannte sich die Haut auf dem Rücken bis hoch zum Nacken. Noch nie war der Deckel so weit in die Höhe
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