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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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schwarzeWitwen. Anna und ich schienen ihre Kleiderordnung einzuhalten.
    Bis auf die Frauen war der Platz verlassen. Als Anna ankam, ignorierte sie mich geflissentlich. Ihr Blick glitt empor zur gemeißelten Steinfassade der Kirche. Die Glocke im Kirchturm schlug zur halben Stunde, als ob jemand mit einem Löffel auf einen Kochtopf hämmerte. Anna zog ein Tuch aus der Tasche und schlang es sich um die Schultern, bevor sie die Kirche betrat.
    Einen Moment lang wartete ich ab und sah mich um, bevor ich ihr folgte.
    Im Inneren war die Luft kühl und feucht, mit diesem typischen Räucherstäbchengeruch alter Kirchen. Ich ging den Mittelgang hinunter, direkt auf ein grauenhaft aussehendes, lebensgroßes Kruzifix zu. Es war aus Holz gearbeitet und bemalt worden: Die Nägel in den Händen Christi sahen völlig echt aus und das Loch in seiner Seite wirkte wie eine frische Stichwunde, aus der noch das Blut herausquoll. Seine glasigen Augen waren nach oben gerollt und sogar die geschnitzte Zunge hing ihm aus dem Mund. Die Szene glich eher einer Tatortrekonstruktion als einem religiösen Kunstwerk.
    Seitlich gab es eine kleine Kapelle mit einem Fliesenboden im Schachbrettmuster. Auf einem Metallgestell am Eingang brannten halb heruntergeschmolzene Kerzen vor sich hin und innen drin stand ein mit alter Spitze bedeckter Altar. Statt sich hinzuknien, hatte sich Anna lieber auf die Bank vor den Altar gesetzt. Beten passte auch nicht wirklich zu ihr.
    Ich schlüpfte in die Bank hinter ihr. »Hi«, flüsterte ich.
    »Was bist du so spät?«
    »So leicht ist es jetzt auch nicht, von einer Jacht draußen im Meer runterzukommen. Ich kann sie ja nicht einfach an der Promenade parken.«
    »Schon klar, alter Playboy«, sagte sie. »Hab sie gesehen. Höchst eindrucksvoll.«
    Sie klang angenervt, als würde ich ihr etwas vormachen, was ich ziemlich unangebracht fand.
    »Hör mal«, sagte ich. »Ich weiß, dass du drauf angesetzt warst, mich bei Laune zu halten.«
    »Sei nicht naiv, Eddie.« Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Ich mag dich. Das weißt du. Aber jetzt werd mal erwachsen, das ist Teil des Jobs.«
    »Wo steigst du ab?«
    »Besser, wenn du’s nicht weißt«, erklärte sie. »Hör zu. Nimrod wird langsam nervös. Er findet, dass du zu selten Bericht erstattest.«
    »Deshalb bist du hier?«, fragte ich. »Um für Baylis ein Auge auf mich zu haben?« Seinen blödsinnigen Tarnnamen hatte ich schon fast vergessen. Anna zuckte zusammen, als ich vergaß, ihn zu verwenden.
    »Pssst! Ja, klar bin ich deshalb hier. Um die Lage zu peilen.«
    »Ich bin voll undercover«, sagte ich. »Ich sollte keine Meldung machen, bis nicht irgendwas passiert.«
    »Und, ist nichts passiert?«, fragte sie. »Warum bist du denn hier?«
    »Gemälde«, antwortete ich.
    »Und?«
    Im Laufe der letzten Monate hatte ich mich so daran gewöhnt,dass irgendwelche Päckchen von hier nach dort verschoben wurden, dass ich die kokaingefüllten Champagnerflaschen beinahe vergessen hatte. Dass hier Drogen verschifft wurden, war ja nicht weiter überraschend. Vielleicht wollte irgendwas in mir auch lieber nicht so genau hinsehen und womöglich am eigenen Ast sägen.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Sie sind jetzt da draußen und bereden irgendwas. Ich werd längst nicht in alles eingeweiht, wie du siehst. Ich bin hier.«
    Anna musterte mich unter gesenkten Lidern, als würde sie mir das nicht abnehmen. »Und Gewehre, Waffen wurden nicht erwähnt?«, fragte sie. »Nimrod meint, dass sie was Größeres planen.«
    »Hab nichts dergleichen gehört«, sagte ich. Das stimmte auch, hatte ich nicht.
    »Du scheinst dich ja prächtig zu amüsieren, Eddie.« Sie hob ihre Augenbrauen. »Sind dir das ganze Geld und der Glamour zu Kopf gestiegen?«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl mir die Röte ins Gesicht stieg. Vielleicht war es tatsächlich so.
    »Nimrod fragt sich, ob du dich nicht ein bisschen zu gut anpasst«, sagte sie. »Ich hoffe, du weißt noch, wohin dein moralischer Kompass zeigt, Eddie.«
    »Und das von dir«, sagte ich. Auf einmal fühlte ich mich wie ein schmollender Schuljunge. Mein Mut verließ mich und all meine Panik brach durch die Oberfläche. »Anna, ich scheiß mich an vor Angst. Da draußen ist es wirklich zum Fürchten. Ich frag mich langsam, ob er mich verdächtigt. Wenn ich rauswollte, wie stehen meine Chancen abzuspringen?«
    »Null«, sagte Anna. »Halt durch, komm zurück nach Hause und erstatte Bericht. Versuch dich zu erinnern, auf welcher Seite du

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