Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
nichts Genaues feststellen. Auf jeden Fall sind seine Zähne groß genug.«
»Ohrenstöpsel wären wahrscheinlich keine Lösung, oder?«
»Nein, die hülfen nichts. Aber wir brauchen uns wegen Schallerzeugern keine Sorgen zu machen. Es sind die giftigen Tiere, die mich beunruhigen. Es gibt eine Art, die lebt nur auf den Spitzen bestimmter Stalagmiten. Man kann sie nicht sehen, auch wenn man einen Stalagmit genau betrachtet. Nur die Pfeilschützen erkennen die Unterschiede, es sei denn, es ist kein Wasser vorhanden.
Sie besitzen ein Dutzend Beine, mit deren Hilfe sie an trockenem Kalkstein haftenbleiben können. Der Proboscis ist zehn Zentimeter lang und verwendet Luftdruck, um kleine Pfeile zu verschießen - eine Art organische Injektionsspritze, wenn du willst -, die mit dem Naseninneren durch eine fadenlange Leitung verbunden sind. Der Pfeil enthält ein starkes Gift auf Hermentinbasis, das die Blutgerinnung verhindert. Wenn nicht sofort etwas unternommen wird, dann verblutet man an der Wunde, die der Pfeil hinterläßt. Dann klettern die kleinen Bastarde aus ihrer sicheren Position nach unten und saugen die Überreste auf. Wenn wir nicht blindlings ausgerechnet auf diese Viecher treffen, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.
Deshalb bin ich froh, daß dies ein lebendiges Höhlensystem ist. Die Pfeilschützen hocken nur auf toten Stalagmiten. Darum achte darauf, daß du dich immer nach denen orientierst, die noch im Wachsen begriffen sind. Sie mögen das Wasser nicht, das da von der Decke tropft.«
»Und ich hatte gedacht, daß es hier unten friedlich und ruhig ist.«
»Laß dich nicht von der Dunkelheit täuschen! Wir marschieren durch einen Dschungel ohne Bäume. Und auf seine Art ist dieses unterirdische Ökosystem genauso lebendig und umkämpft wie das von Alaspin. Hier ist es nur so, daß wir größer sind als die meisten Einwohner. Und wenn sie überhaupt über irgendwelche lichtempfindliche Fähigkeiten verfügen, halten sie sich instinktiv von unseren Lampen fern.
Es gibt nur ein einziges großes Wesen, das noch nie beobachtet wurde, aber wir haben seine Spuren vermessen. Acht Beine und Tellerabdrücke, die etwa einen Meter breit sind. Es hält sich vorwiegend in den größten Höhlen auf. Es bekam den Namen Vexfuß.
Dann gibt es da noch die Lebewesen, die die unterirdischen Seen und Flüsse bewohnen. Von ihnen will ich gar nicht erzählen, da ich nicht erwarte, daß wir schwimmen müssen.« Claritys Leuchtröhre wurde auf einmal dunkler. Sie schüttelte sie heftig, rührte den Inhalt durch wie einen Cocktail und wurde für ihre Bemühungen belohnt, als das Licht wieder seine normale Helligkeit erreichte. Er spürte ihre Erleichterung geradezu körperlich.
»Demnach sind diese Röhren sowohl unser Schutz wie auch unsere Führer. Wer weiß, was geschehen würde, wenn sie erlöschen würden - außer daß wir dann mit Sicherheit rasch eine ganze Menge mehr von der hiesigen Fauna kennenlernen würden als bisher.«
»Es gibt keinen Grund, warum sie erlöschen sollten.« Er versuchte sie zu beruhigen. »Warum sollen sie nicht Wochen oder gar Monate halten, nach allem, was du mir erzählt hast?«
»Nein, überhaupt keinen Grund.«
»Selbst wenn wir angegriffen werden sollten, dann würden Pip und Scrap eingreifen und uns retten.«
»Ich weiß, aber fliegende Schlangen brauchen das Licht genauso wie wir. Es sei denn, sie verfügen über eine Art Echolotmechanismus.«
»Davon habe ich noch nie etwas gehört. Doch eigentlich sind es ja Nachttiere. Sie können auch bei schwächstem Licht sehr gut sehen.«
»Das nützt ihnen und uns hier unten auch nichts. Wenn diese Röhren erlöschen, dann gibt es überhaupt kein Licht mehr. Kein Mondlicht, keine Sterne. Es herrscht dann das schwärzeste Schwarz, viel schlimmer noch als im leeren Weltraum.«
»Bis auf die Bioluminiszenten«, erinnerte er sie. »Ich denke, wir könnten uns jederzeit ein paar wilde Photomorphen fangen und sie an die Leine nehmen. Dann hätten wir Haustiere, die sich bei Nacht ihren eigenen Weg leuchten.«
Sein Versuch, einen Scherz zu machen, ging völlig schief. Sie machte sich tatsächlich ganz ernsthafte Sorgen und fragte sich, was sie wohl täte, wenn die Leuchtröhren endgültig den Dienst verweigerten. Kein Thema, entschied er. Bis es soweit wäre, hätten sie längst einen Ausweg gefunden. Er hoffte irgendwie in Erfahrung zu bringen, wie es in der Schlacht gegen die Ökofanatiker stand. Sie konnten sich sowohl in der
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