Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
gesehen.
Es klopfte laut an der Tür.
„Lasst mich in Ruhe!“ Derart geschwächt durfte er nicht gesehen werden.
Er atmete zischend aus und versuchte aufzustehen. Es war ein Fehler gewesen, in diese Welt vorzudringen. Sie wurde von etwas beschützt, das die schwarze Magie noch nie willkommen geheißen hatte.
Er hatte die schwarze Wand, die zwischen ihm und dem tödlichen Albtraum des Abgrunds stand, schon immer gehasst. Oh, die Magier, die darin gefangen waren, bedeuteten ihm nichts, aber wenn er die Schwarze Burg regieren würde, hätte er nicht nur Zugang zu unvergleichlichen Reichtümern, sondern auch zu all ihrer Macht. Süßer, tödlicher, herrlicher Macht.
Aber er konnte nicht dorthin gehen. Jetzt noch nicht.
Es gab jedoch andere, die es konnten – denn auch wenn er sie dumm nannte, war seine Tochter sehr klug, klug genug, dass sie einen Weg gefunden hatte, sich an dem einen Ort zu verstecken, an den er ihr nicht folgen konnte. Seine Lakaien verstanden nicht, warum er sie zurückhaben wollte, sie begriffen nicht, dass sie ihm
gehörte
. Sein Besitz hatte es noch nie gewagt, ihn zu verlassen.
Er würde Liliana sehr wehtun, sobald er sie zurückgeschleift hatte. Sie würde um den Tod betteln, wenn er mit ihr fertig war. Vielleicht würde er ihr diesen Wunsch erfüllen … vielleicht auch nicht. Seine Tochter war sein liebstes Spielzeug. Aber ehe er sich mit ihr vergnügen konnte, musste er sie finden.
Er wischte das Blut aus einer seiner Schnittwunden und verfütterte es an die handtellergroße Spinne auf seinem Schreibtisch. „Ich denke, es wird Zeit, deine Brüder zu wecken.“
16. KAPITEL
L ilianas Ohren klingelten noch eine Stunde später. „Hast du so etwas schon einmal gesehen?“, fragte sie Jissa, während sie im Steingarten saßen und Nüsse knackten, froh darüber, nach all der Kälte in der Sonne zu sein. Bei der bloßen Erinnerung daran bekam Liliana wieder eine Gänsehaut.
Jissa streckte die Hand aus und streichelte ihr über die Haut, wobei sie missbilligend mit der Zunge schnalzte. „Immer hier. Die Geister. Immer hier.“ Sie tätschelte sie noch einmal aufmunternd und zog dann ihre Hand zurück. „Hab noch nie gesehen, wie sie das gemacht haben, noch nie, noch nie.“
„Ihre Macht war anders.“ Sie hatte nach Tod geschmeckt, war aber rein gewesen auf eine Weise, wie die Magie ihres Vaters es nie sein würde. „Jissa“, sagte Liliana und dachte immer noch an den Tod, „macht der Gedanke an die Ewigkeit dir Angst?“
Jissa sah sie neugierig an. „Warum sollte er? Glück und goldene Magie, das ist die Ewigkeit. Ich würde es gern sehen, ja, das würde ich.“
„Ja.“ Und doch war ihre Freundin auf der Erde gefangen, weil der Blutmagier ihr etwas Unaussprechliches angetan hatte, als er ihr die Lebenskraft geraubt hatte. „Jissa … es tut mir leid.“
„Was denn?“
„Eines Tages wirst du es wissen.“ Bis dahin wollte Liliana sich noch ein paar Augenblicke mit der ersten wahren Freundin stehlen, die sie je gehabt hatte. „Hier.“ Sie reichte der Brownie eine komisch geformte Nuss. „Die passt zum Rest der Burgbewohner.“
Die andere Frau lachte, aber der süße Klang wurde übertönt von einem gewaltigen wütenden Brüllen, das aus der Burg kam. Liliana stellte den Korb mit den ungeknackten Nüssen hastig auf den Boden und stand auf. „Micah!“
„Liliana, nicht!“
Sie hörte nicht, sondern rannte, so schnell sie konnte, zum Haus. Doch riesige Hände schlossen sich um ihre Arme, ehe sie über die Schwelle treten konnte. Bards Augen waren feucht und dunkel vor Sorge, und er schüttelte langsam, ganz langsam, den Kopf.
„Lass mich los.“ Sie zwang sich, ruhig zu sprechen, obwohl das Blut in ihren Adern raste. „Bitte, Bard, lass mich los.“
„Liliana“, hörte sie hinter sich Jissas atemlose Stimme. „Du darfst nicht, nein, nein. Er ist ein Monster, ein schreckliches Monster, wenn der Fluch auf ihm liegt.“
Liliana sah sich mit einem Ruck zu der Brownie um. „Das bin ich auch, Jissa.“ Sie war das schlimmste Monster von allen. „Sag Bard, er soll mich loslassen.“
„Ich …“ Die kleine Frau richtete sich auf. „Nein, wir werden dich schützen.“
„Dann muss ich dich noch einmal um Verzeihung bitten, mein Freund.“ Liliana biss sich fest auf die Unterlippe und schmeckte das Blut in ihrem Mund. Macht ergoss sich in sie, strahlend und stark, weil sie schon seit ein paar Tagen nicht geweckt worden war.
Sie brach damit Bards Griff und
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