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Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)

Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)

Titel: Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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gelungen. Die meisten glaubten, es sei nichts als eine Chimäre.“
    Ein Ohr zuckte.
    „Wie Ihr wisst, mein Lord“, murmelte sie und streichelte ihm den Rücken – vorsichtig darauf bedacht, nicht die Dornen zu berühren, die ihr mit Sicherheit die Haut von der Hand reißen würden, „ist die Chimäre ein Fabelwesen. Sie existiert nur in unserer Vorstellung. Deswegen nennen Magier solche Zauber, an deren Wirkung sie nicht glauben und die doch immer wieder ausprobiert werden, Chimären.“ Die verspielte Bezeichnung hatte ihr immer gut gefallen. „Und diese spezielle Chimäre hat die Jahrhunderte überdauert.“
    Das Biest schloss die Augen, hielt aber die riesigen schwarzen Ohren aufgestellt.
    „Es brauchte dazu ein gewisses Maß angeborener Magie und einen einfachen Spruch“, fuhr sie fort. „Nicolai, der Älteste und Stärkste, versuchte es zuerst – ohne Erfolg.“
    Ein Schnauben, das auch ein Schnarchen sein könnte. Sie sah nach, aber er hatte ein Auge wieder geöffnet, war wach und hörte zu.
    „Breena kam als Nächste, weil sie glaubten, dass ein Einhorn vielleicht eine Frau bevorzugte. Nichts. Schließlich versuchte Dayn es, weil er sicher war, dass sein Bruder und seine Schwester etwas falsch gemacht hatten. Nichts. Da verlangte Micah, ebenfalls an die Reihe zu kommen.“
    Ruhig fuhr sie fort: „Sie haben ihn angelächelt, wie ältere Geschwister es nun mal tun, wenn sie sich über den geliebten jüngeren Bruder amüsieren. Schließlich war er so klein, dass er gerade erst das Alphabet gelernt hatte, wie könnte er also ein Einhorn beschwören? Und tatsächlich brauchte Micah sehr lange, bis er den ganzen Zauberspruch vorgelesen hatte, aber seine Geschwister hatten ihn so sehr ins Herz geschlossen, dass sie ihn nicht unterbrachen oder zur Eile antrieben.“
    Kein Geräusch kam von dem verzauberten Monster, aber sie wusste, dass es jedem Wort lauschte.
    Sie sank vor ihm nieder, setzte sich hin und wollte gerade fortfahren, als er die massiven knotigen Arme öffnete und sie zu sich heranzog. Statt Angst fühlte sie nur Wärme, als sie den Kopf gegen seinen Hals legte und dem Klopfen seines großen Herzens lauschte. „Sobald Micah aufhörte zu sprechen, leuchtete ein strahlendes Licht auf, so hell, dass sie einen Augenblick fürchten mussten, erblindet zu sein. Doch als die Funken sich legten, stand zwischen ihnen ein majestätischer Einhorn-Prinz, der sie belustigt ansah, wie es solche uralten Wesen oft sind, wenn sie jugendlichem Leichtsinn begegnen.“ Die Vorstellung, Nicolai, den man auch den dunklen Verführer nannte, als „jugendlich“ zu bezeichnen, hatte sie immer zum Lachen gebracht.
    „Verstehst du, um ein Einhorn rufen zu können, muss man reinen Herzens sein. Alle Kinder sind so geboren, aber jeden Tag, den wir heranwachsen, kommen kleine Schatten über uns. Nicht jeder Schatten ist schlecht. Ein starker Mann braucht seine Schatten. An jenem Tag war nur noch Micah so rein wie am Tag seiner Geburt. Und so konnte nur seine Stimme die Welt der Einhörner erreichen.“ Ihre Augen schlossen sich flatternd.
    Micah träumte von Einhörnern, edel und anmutig, und von tiefem männlichen Gelächter. Er hatte nie eine Familie gehabt, aber in seinem Traum rannte er zwei großen Männern nach – sie lachten, als er hinfiel, und das mochte er nicht, aber er war stur und rappelte sich wieder auf. Dann war einer dieser Männer bei ihm, hob ihn hoch und klopfte ihm den Staub ab. Alle Wut war vergessen, als er seinen Brüdern durch den Sand hinterherrannte.
    Nicolai stolperte als Erster die Düne hinab. Micah wollte hinter ihm herrennen, aber die Brust tat ihm weh, und er blieb stehen, um nach Luft zu ringen. Sie ließen ihn nicht zurück. Das taten sie nie. Dayn nahm ihn in die Arme und schwang ihn auf seinen Rücken. Sie lachten, als sie den Strand erreichten und Nicolai dort bereits mit einer roten Landkrabbe kämpfte, die sich gestört fühlte. Das Wasser leckte mit sanftem Schaum an ihren Füßen. Es war ein guter Tag.
    Der Gedanke klang noch in ihm nach, als er erwachte und ihm langsam klar wurde, dass er auf dem kalten Steinboden in der Großen Halle der Schwarzen Burg lag. Er war nackt, und das verriet ihm, was geschehen war, noch ehe er den gespaltenen Tisch und die zersplitterten Stühle entdeckte. Das war allerdings nicht das Ungewöhnlichste an diesem Erwachen.
    Er war nicht allein.
    Früher war er immer allein gewesen. Die Bediensteten des Tages verstreuten sich bei den ersten

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