Lord Stonevilles Geheimnis
vorbei.« Er drehte sich auf die Seite und schmiegte sich von hinten an sie, um ihr einen Kuss auf die Schulter zu geben. »Ich werde in aller Frühe in die Stadt fahren, um eine Sondergenehmigung des Erzbischofs zu erwirken. Wenn wir Glück haben, können wir in ein, zwei Tagen heiraten.«
»In ein, zwei Tagen!«, rief sie erschrocken und drehte sich zu ihm um. »Nein, Oliver, das können wir nicht tun. Nicht so schnell.«
Er sah sie argwöhnisch an. »Warum nicht?«
»Zuerst muss ich Nathan finden. Er hat es verdient, es von mir persönlich zu erfahren, dass ich die Verlobung mit ihm löse.«
Augenblicklich wallten Eifersucht und Zorn in ihm auf. »Aber du wirst sie lösen.«
»Ja, natürlich.« Maria senkte den Blick. »Da ich nicht mehr unberührt bin, wäre es ihm gegenüber ungerecht.«
Oliver schnaubte. »Er könnte sich verdammt glücklich schätzen, dich zu bekommen. Und da du beabsichtigst, die Verlobung zu lösen, sehe ich keinen Grund zu warten. Schließlich ist er derjenige, der wortlos verschwunden ist!«
Sie angelte errötend nach ihrem Nachthemd und verließ das Bett. Starr vor Schreck sah er zu, wie sie es überzog. Dann griff sie mit beiden Händen hinter den Kopf, um ihr Haar mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Hemd zu ziehen. Diese höchst weibliche Geste hatte er schon hundertmal gesehen, aber Maria gab ihr etwas Lyrisches. Es war ein Traum, wie ihre rotgoldenen Haare einem seidig glänzenden Vorhang gleich bis zu ihrer Taille herabfielen.
Oliver verdrehte die Augen. Wurde er jetzt auch noch poetisch? Gott, er verlor tatsächlich den Verstand. »Du wirst mich heiraten, Maria.«
Sie sah ihn kampflustig an. »Zuerst wüsste ich gern, was für eine Ehe du mit mir zu führen gedenkst.«
Er setzte sich auf und lehnte sich gegen das gepolsterte Kopfteil des Betts. »Was genau willst du von mir wissen?«, fragte er misstrauisch.
»Gestern hast du in Bezug auf deinen letzten Bordellbesuch gesagt, dass du dich furchtbar schlecht benommen hast und es nie wieder vorkommen würde. Hast du das ernst gemeint?«
Oliver erstarrte. Es war eine überaus bedeutsame Frage, die Maria ihm da stellte. »Ich meinte, dass ich dich nie wieder auf eine solche Weise in Verlegenheit bringen würde.«
Ihr Blick verdüsterte sich. »Das heißt also, deine Bordellbesuche würden in Zukunft diskreter ablaufen?«
»Nein! Ja … Gott steh mir bei, ich weiß es nicht.« Oliver geriet erneut in Panik. Maria wollte sein Versprechen, dass er ihr treu wäre. »Als ich es gesagt habe, war von Heiraten doch noch gar nicht die Rede.«
»Dann würden wir also«, sagte sie mit kalter Stimme, »wie es in England anscheinend in Mode ist, eine Ehe führen wie deine Eltern.«
»Ganz bestimmt nicht!«, entgegnete er in schneidendem Ton. »Verdammt, Maria, du fragst mich etwas, das ich nicht beantworten kann.« Er stand vom Bett auf und zog rasch seine Unterhose an. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er sich in nacktem Zustand verwundbar fühlte. »Warum habe ich wohl nie geheiratet? Eben weil ich nicht so eine Ehe führen will wie meine Eltern. Und ich weiß nicht, ob ich … Ich bin mir nicht sicher, ob ich …«
»Ob du treu sein kannst?«
Er sah ihr in die Augen. »Du sagst es.«
Sie schluckte, dann trat sie ans Bett, um ihren Schlüpfer zu nehmen. »Nun, zumindest bist du ehrlich.«
Er ging zu ihr und schloss sie in die Arme. »Ich sage ja gar nicht, dass ich nicht treu sein kann. Ich weiß nur nicht, ob ich es versprechen kann. Ich habe es noch nie versucht.«
Marias Augen glänzten verräterisch, als sie zu ihm aufsah. »Das genügt mir leider nicht.«
Ihm gefror das Blut in den Adern. »Was soll das heißen?«
»Oliver, als ich erfahren hatte, dass du weggefahren bist, um in ein Bordell zu gehen …«
»Wo ich keiner einzigen Hure beigewohnt habe!«, warf er ein. »Ich habe mich betrunken, das ist alles. Ich schwöre es dir!«
»Ja, das weiß ich inzwischen. Aber seinerzeit wusste ich es nicht. Und obwohl ich mir immer wieder gesagt habe, dass ich nicht das Recht habe, Treue von dir zu erwarten, hat es sehr geschmerzt. Fast mehr, als ich ertragen konnte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sehr es erst schmerzen muss, wenn wir verheiratet wären, und ich will es auch gar nicht herausfinden.«
Oliver starrte sie fassungslos an. »Wenn du mich bittest, dir ewige Liebe zu schwören oder so einen Unsinn …«
»Ich werde
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