Lords of Salem: Roman (German Edition)
keine Kiste, und dann, plötzlich und unerklärlicherweise, stand sie dort.
Sie betrachtete das Video Bild für Bild. Dasselbe.
Das ist unmöglich , sagte sie sich. Sie suchte nach einer rationalen Erklärung. Irgendwas stimmt mit der Datei nicht, da muss eine Zeitspanne fehlen. Ich sehe einfach nicht den gesamten Ablauf. Aber es gab im Bild keinen Hinweis darauf, keinen Blitzer, keinen Schnitt, keine Unterbrechung, nichts, was auf einen Zeitsprung hindeutete.
Es jagte ihr eine höllische Angst ein, vor allem, da es nach dem Auftauchen der beiden Ghule geschehen war. Die Kiste schien einfach aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Nein, sagte sie sich entschieden, es gibt immer eine Erklärung, auch wenn ich sie nicht kenne. Es war albern zu glauben, das Ding wäre aus dem Nichts gekommen.
Sie blickte erneut auf den Zettel. Adelheid Elizabeth Hawthorne. Es musste für Heidi sein. Gut , dachte sie, nicht mein Problem , und zwang sich, wieder in der Zeitschrift zu lesen.
16
H erman seufzte. Es war eine lange Schicht gewesen, und durch die Arbeit, die ihnen zugeteilt worden war, erschien sie ihm noch länger. Zuerst die Ghule von dieser Death-Metal-Band mit ihrem schwachsinnigen Gerede von der Ziege. Die Ziege, was sollte das sein? Und kaum hatte Chip sie hinauskomplimentiert, war er zurückgekommen, um ihnen eine Strafpredigt zu halten. Es war nicht meine Schuld , hatte Herman begonnen. Ich habe das Interview nicht angeleiert. Du oder einer von den Werbetypen steckt dahinter. Aber darum ging es Chip nicht. Er warf ihnen nicht vor, das Interview organisiert zu haben, sondern sagte nur, dass sie, sobald jemand von Satan oder der Vernichtung Gottes oder Kirchenbrandstiftungen anfing, so clever sein müssten, das Gespräch abzubrechen.
» Wenn ich nicht hier gewesen wäre«, sagte er, » wer weiß, wie lange ihr noch weitergemacht hättet?«
Herman seufzte erneut. Nur eine weitere Bestärkung für Chip, sich in jede Kleinigkeit einzumischen. » Es war nicht meine Schuld«, sagte Herman erneut.
» Wir sind hier in Salem«, fuhr Chip fort. » Die halbe Stadt verdient sich ihren Lebensunterhalt, indem sie Profit aus den historischen Hexenverbrennungen schlägt und sie als Anlass benutzt, T-Shirts mit der Aufschrift Mein Zweitwagen ist ein Besen zu verkaufen. Aber das funktioniert nur, weil die Leute Hexen für etwas Vergangenes und vielleicht nicht einmal Wirkliches halten. Wenn die Leute das Gefühl haben, die Teufelsanbetung kommt ihnen zu nah, geht die Sache schief.«
» Wieso?«, fragte Whitey.
» Wir verlieren Sponsoren«, sagte Chip.
» Immer hängt alles von den Sponsoren ab«, nörgelte Herman.
» Tja«, sagte Chip. » So ist das leider.«
» Ich bin aber wegen der Musik hier«, sagte Herman.
» Also, ich auch.« Chip nickte. » Ich mag die Musik auch. Es ist nur so, dass wir auch wirtschaftlich …«
» Der Song geht zu Ende«, sagte Whitey. » Raus aus der Kabine, Chip. Wir müssen hier arbeiten.«
Doch nach dem Auftritt der Band, Leviathan und die wie zum Geier auch immer sie hießen, und Chips kurzem Vortrag kamen sie nicht wieder in Schwung. Dadurch zog sich die Nacht länger hin, als es nötig war. Außerdem mussten sie das Fantasy-Filmfest promoten, und Chip tauchte ständig am Fenster auf und erinnerte sie mit einem bekritzelten Zettel daran.
Und genau das tat Heidi gerade, während die Sendung dem Ende entgegenging, und es gelang ihr sogar, begeistert zu klingen.
» Und vergesst nicht, Donnerstagnacht ins Cabot-Kino zu gehen«, sagte sie mit ihrer kehligen Stimme. Man hatte ihm immer erklärt, dass bei Frauen eine scharfe Radiostimme niemals mit einem scharfen Körper einherging, aber Heidi war der Beweis, dass diese Theorie nicht stimmte. » Das WXKB -Fantasy-Filmfest geht weiter mit einer Mitternachtsvorstellung von Frankenstein gegen den Hexenjäger.«
Gegen wen? , dachte Herman. Sobald man glaubt, man hätte alle Frankenstein-Filme gesehen, taucht ein neuer auf.
Whitey, der am Mischpult saß, spielte einen kurzen Tonschnipsel aus dem Film ein.
» Ich verfluche den Tag, an dem du in dieses Dorf gekommen bist, Teufel Frankenstein!«, schrie eine Männerstimme.
» Bitte sag mir, dass das auf historischen Tatsachen beruht«, meinte Heidi.
Whitey begann, aus dem Werbeblatt des Films vorzulesen. » Wir schreiben das Jahr sechzehnhundertfünfundvierzig. Matthew Hopkins, ein Gelegenheitshexenjäger, und sein Gehilfe, der Zwerg Carlo …«
» Carlo?«, unterbrach Heidi ihn.
» Ja, Carlo«,
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