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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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noch da, Esme?« fragte sie.
    Oma Wetterwachs’ Kopf kam etwa zwei Meter entfernt zwischen eini-
    gen langen Wedeln zum Vorschein.
    »Hier sind Dinge passiert«, sagte sie kühl und schien dabei jede einzel-
    ne Silbe zu betonen.
    »Zum Beispiel?«
    »Bei den Felsen ist das hohe Gras niedergetrampelt. Sieht ganz danach
    aus, als hätte dort jemand getanzt.«

    Nanny Ogg dachte darüber nach wie ein Atomphysiker, der gerade er-
    fahren hatte, daß jemand zwei subkritische Uranmassen aneinander-
    schlug, um sich ein wenig zu wärmen.
    »Ausgeschlossen«, sagte sie.
    »Von wegen. Und das ist noch nicht alles…«
    Nanny hätte nicht noch entsetzter sein können, und doch war das der
    Fall. »Ja?« fragte sie leise.
    »Hier ist jemand gestorben.«
    »O nein«, ächzte Nanny Ogg. »Etwa im Kreis?«
    »Nein, natürlich nicht. Außerhalb davon. Ein großer Mann. Mit unter-
    schiedlich langen Beinen. Und einem Bart. Vermutlich ein Jäger.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Bin gerade über ihn gestolpert.«
    Sonnenschein flimmerte durch den Dunst.

    Etwa achthundert Kilometer entfernt strich das Licht des neuen Tages
    über die uralten Mauern der Unsichtbaren Universität, des wichtigsten
    Ausbildungszentrums für Magie.
    Die Zauberer merkten überhaupt nichts davon.
    Für die meisten von ihnen war das Mittagessen die erste Mahlzeit am
    Tag. Die Zauberer der Unsichtbaren Universität waren keine Frühauf-
    steher.
    Nur Erzkanzler und Bibliothekar wußten, wie der Morgen aussah;
    dann hatten sie den Campus praktisch mehrere Stunden lang für sich
    allein.
    Der Bibliothekar stand immer früh auf, weil das der Natur eines
    Orang-Utans entsprach. Allerdings verzichtete er gegen seine Natur dar-
    auf, einige Male herzhaft zu brül en, um andere Männchen von seinem
    Territorium fernzuhalten. Er schloß nur die Bibliothek auf und fütterte
    die Bücher.
    Mustrum Ridcully, der gegenwärtige Erzkanzler, fand großen Gefallen
    daran, durch das stille Gebäude zu streifen, den Bediensteten zuzunicken
    und Zettel für die Untergebenen zu hinterlassen. Sie dienten hauptsäch-

    lich dazu, ganz deutlich darauf hinzuweisen, daß er auf den Beinen war
    und arbeitete, während al e anderen noch an der Matratze horchten.*
    Doch heute beanspruchte etwas anderes Ridcullys Aufmerksamkeit. Es
    ging ihm um mehr oder weniger, im wahrsten Sinne des Wortes.
    Sein besorgter Blick galt einem runden Objekt. Überall beobachtete er
    gesundes Wuchern – abgesehen von einer Stelle, die ihm am vergange-
    nen Tag nicht aufgefal en war.
    Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, während er in einen
    Spiegel sah, der ihm das Spiegelbild eines anderen Spiegels über seinem
    Haupt zeigte.
    Nach Ridcul y und dem Bibliothekar stand der Quästor auf. Was nicht
    etwa daran lag, daß er die frühen Stunden liebte. Der Grund bestand
    vielmehr darin, daß gegen zehn Uhr beim Erzkanzler der ohnehin nicht
    sehr große Vorrat an Geduld zur Neige ging. Dann marschierte er zur
    Treppe und donnerte:
    »Quääästor!«
    Diesen Ruf wiederholte er, bis der Quästor erschien.
    Es geschah so häufig, daß der Quästor gelegentlich unter der Decke
    hervorkroch und sich anzog, bevor das Gebrül des Erzkanzlers durchs Treppenhaus hal te. Die Erklärung mag sein, daß es sich bei ihm um
    einen natürlichen Neurovor** handelte.

    * So etwas geschieht dauernd, und zwar überall im Multiversum, selbst auf kalten Welten mit Meeren aus flüssigem Metan. Ein seltsames und bisher unge-
    klärtes Phänomen sorgt dafür, daß es in einer Gruppe von Angestellten immer
    einen Frühaufsteher gibt, der ausgerechnet den Posten des Abteilungsleiters
    bekleidet. Das betreffende Individuum legt kleine Zettel – beziehungsweise mit Gravierungen ausgestattete Heliumkristalle – auf die Schreibtische der Untergebenen. Es gibt nur einen Ort, wo das weniger häufig passiert: die Welt Zyrix.
    Nun, Zyrix hat achtzehn Sonnen, und deshalb kann man dort nur einmal in
    1789,6 Jahren ein Frühaufsteher sein. Wie dem auch sei: Selbst hier reagiert ein engstirniger, bornierter Abteilungsleiter alle 1789,6 Jahre auf einen universalen Impuls und rutscht zeitig ins Büro, die Tentakel voller Frimt -Schalen mit gehässigen Hieroglyphen.
    ** Er lebte von seinen Nerven.

    Nun, diesmal war er vol angezogen auf halbem Wege zur Tür, als er
    die Augen aufriß.
    Ridcully verlor nie Zeit mit oberflächlicher Konversation. Bei ihm ging
    es immer um alles oder nichts.
    »Ja, Erzkanzler?« fragte der Quästor

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