Lords und Ladies
bedrückt.
Ridcully nahm den Hut ab.
»Was ist das hier?« fragte er.
»Äh, äh, äh… was, Erzkanzler?«
»Das hier, Mann!«
Der Quästor verspürte einen längst vertraut gewordenen Anflug von
Panik und starrte verzweifelt auf den Kopf des Erzkanzlers.
»Das was? Oh. Meinst du vielleicht die kahle Stelle?«
»Ich habe keine kahlen Stel en!«
»Äh, nun…«
»Gestern hatte ich sie noch nicht!«
»Ah. Nun. Äh.« Früher oder später riß irgend etwas im Quästor, und
dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. »So was kommt natürlich
vor, und mein Großvater hat immer eine Mischung aus Honig und Pfer-
dedung benutzt, rieb sich das Zeug jeden Tag…«
»Ich bekomme keine Glatze!«
Im Gesicht des Quästors zuckte ein Muskel nervös. Die Worte ström-
ten aus ihm heraus, ohne daß die Sprechwerkzeuge der Kontrolle des
Gehirns unterlagen.
»… und dann hatte er da noch den Apparat mit der gläsernen Stange,
und man rieb mit einem Seidentuch daran, und…«
»Das ist doch lächerlich! In meiner Familie hat nie jemand eine Glatze
bekommen, abgesehen von einer Tante!«
»… und, und, und er wusch sich den Kopf mit Morgentau und, und,
und…«
Ridcully erbarmte sich – er war kein unfreundlicher Mann.
»Was nimmst du derzeit dagegen ein?« fragte er.
»Getrocknete, getrocknete, getrocknete, getrocknete«, stammelte der
Quästor.
»Meinst du die alten Pillen aus getrockneten Fröschen?«
»J-j-j-j.«
»In der linken Tasche?«
»N-n-n-n.«
»Na schön, also in der rechten. So, und jetzt schlucken…«
Eine Zeitlang starrten sich die beiden Männer an.
Der Quästor seufzte.
»J-j-jetzt ist es schon besser, Erzkanzler. Danke.«
»Irgend etwas bahnt sich an, Quästor. Ich spür’s in meinen Säften.«
»Wie du meinst, Erzkanzler.«
»Quästor?«
»Ja, Erzkanzler?«
»Du bist nicht zufällig Mitglied eines Geheimbunds, oder?«
»Ich? Nein, Erzkanzler.«
»Dann wäre es sicher eine gute Idee, die Unterhose vom Kopf zu
nehmen.«
»Kennst du ihn?« fragte Oma Wetterwachs.
Nanny Ogg kannte al e Leute in Lancre, auch den armen Kerl im Ad-
lerfarn.
»Das ist Wil iam Pirsch aus Schnitte«, sagte sie. »Einer von drei Brü-
dern. Hat das Pal iard-Mädchen geheiratet, erinnerst du dich? Die junge
Dame mit den Löchern in den Zähnen?«
»Ich hoffe, sie hat anständige schwarze Kleidung«, murmelte Oma
Wetterwachs.
»Scheint erstochen worden zu sein«, fuhr Nanny fort. Mit sanftem
Nachdruck drehte sie den Körper um. Sie empfand den Anblick von
Leichen nicht als bedrückend. Hexen leisten nicht nur Geburtshilfe,
sondern fungieren auch als Totengräber. Für viele Personen in Lancre
war Nanny Oggs Gesicht das erste und letzte, was sie in ihrem Leben
gesehen hatten, und im Vergleich dazu erschien der Rest eher langweilig.
»Ganz durchgestochen«, stellte Nanny fest. »Von einer Seite bis zur
anderen. Meine Güte… Wer könnte so etwas getan haben?«
Beide Hexen drehten sich um und blickten zu den Steinen.
»Ich weiß nicht, wer dahintersteckt, aber es kann kein Zweifel daran bestehen, woher er kam«, sagte Oma.
Nanny Ogg sah, daß Farn und Gras in der Nähe des Steinkreises tat-
sächlich niedergetrampelt waren. Hier und dort gab es bereits braune
Stellen.
»Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen«, brummte Oma.
»Du solltest besser…«
»Ich weiß, was ich sollte, herzlichen Dank.«
Es gab insgesamt acht Tänzer, und drei von ihnen hatten Namen. Oma
Wetterwachs wanderte um den Kreis herum und blieb beim sogenannten
Flötenspieler stehen.
Sie griff nach einer der vielen langen Nadeln, die ihren Hut am Haar
festnieteten, und hielt sie in etwa fünfzehn Zentimeter Abstand zum
Stein. Dann ließ sie los und beobachtete das Ergebnis.
Kurz darauf kehrte sie zu Nanny zurück.
»Es ist noch Kraft übriggeblieben«, sagte sie. »Nicht viel. Aber genug,
um den Kreis vorerst stabil zu halten.«
»Wer ist so dumm, diesen Ort aufzusuchen und am Kreis zu tanzen?«
fragte Nanny Ogg. Ein verräterischer Gedanke schob sich ins Zentrum
ihrer Aufmerksamkeit, und sie fügte hinzu: »Magrat ist die ganze Zeit
über mit uns zusammen gewesen.«
»Wir werden es herausfinden.« Oma lächelte grimmig. »Hilf mir jetzt«,
fügte sie hinzu und deutete auf den Leichnam.
Nanny Ogg beugte sich über den Toten.
»Donnerwetter, ist ganz schön schwer. Jetzt könnten wir Magrat ge-
brauchen.«
»Nein«, widersprach Oma Wetterwachs. »Nicht zuverlässig genug.
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