Lords und Ladies
Wahrscheinlich bekommt der Bursche Schwierigkeiten,
wenn er irgendwelche Leute frißt.* Wir brauchen uns also keine Sorgen
zu machen.«
Der Quästor kicherte. Mit welcher Achterbahn des Wahnsinns sich
sein Geist auch vergnügte: Derzeit ging’s nach oben.
Der Troll erschien am Fenster der Kutsche.
»Guten Tag, ihr Herren«, sagte er. »Zollkontrolle.«
»Kannst du dir sparen«, erwiderte der Quästor fröhlich. »Bei uns ist der
Zol noch immer so lang wie sonst auch. Glaube ich wenigstens.«
Der Troll räusperte sich grollend. »Ich meine… Habt ihr Bier, Spiri-
tuosen, Wein, Likör, hal uzinogene Kräuter oder irgendwelche unzüchti-
gen beziehungsweise lasterhaften Bücher dabei?«
Ridcully zog den Quästor vom Fenster fort.
»Nein«, sagte er.
»Nein?«
»Nein.«
* Trolle sind eine Lebensform, die nicht auf Kohlenstoff basiert, sondern auf Silizium. Menschliches Fleisch können sie überhaupt nicht verdauen. Aber es
gibt immer wieder jemanden, der meint, es sei einen Versuch wert.
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Möchtet ihr welche?«
»Wir haben nicht einmal irgendwelche Ziegenböcke dabei«, sagte der Quästor, obgleich Ridcul y versuchte, auf seinem Kopf Platz zu nehmen.
Manche Leute bringen es fertig, in einer überfül ten Bar von Atlanta
den Yankee-doodle zu pfeifen.
Selbst solche Leute würden es für taktlos halten, einem Trol gegenüber das Wort »Ziegenbock« zu verwenden.
Der Gesichtsausdruck des Trol s veränderte sich langsam, wie ein
Gletscher, der einen Berg erodiert. Ponder Stibbons trachtete danach,
unter seinen Sitz zu kriechen.
»Ich schlage vor, wir trippeln jetzt nach Hause.« Inzwischen klang die Stimme des Quästors ein wenig gedämpft.
»Er meint es nicht so«, sagte der Erzkanzler hastig. »Es liegt an den
vielen getrockneten Froschpillen.«
»Mich willst du bestimmt nicht fressen«, meinte der Quästor. »Bin viel zu zäh. Mein Kollege hier mpf mmpf…«
»Nun«, grollte der Troll, »mir scheint…« Er bemerkte Casanunda.
»Oh- ho ! Zwergenschmuggel, wie?«
»Das ist doch lächerlich, Mann«, erwiderte Ridcully. »Wer schmuggelt
schon Zwerge?«
»Ach? Und was ist das da?«
»Ich bin ein Riese«, behauptete Casanunda.
»Riesen sind viel größer.«
»Ich war lange krank.«
Dieser Hinweis verwirrte den Trol – er stieß hier an die Grenzen sei-
ner intellektuellen Leistungsfähigkeit. Seine Miene deutete allerdings dar-
auf hin, daß er immer noch auf Ärger aus war.
Er fand ihn auf dem Dach der Kutsche.
»Was befindet sich in dem Sack da oben?«
»Das ist kein Sack, sondern unser Bibliothekar.«
Der Troll stieß die große Masse aus rostbraunem Haar an.
»Ugh…«
»Was? Ein Tier?«
»Uugh?«
Einige Minuten später lehnten die Reisenden an der Brüstung und
blickten nachdenklich in den Fluß.
»Geschieht so etwas häufig?« fragte Casanunda.
»In letzter Zeit nicht mehr«, antwortete Ridcully. »Es ist wie mit… Wie
heißt das Wort? Es geht dabei um Zucht und Weitergabe von Eigen-
schaften und so.«
»Evolution«, sagte Ponder Stibbons. Unten klatschten hohe Wel en ans
Ufer.
»Genau. Wie… Mein Vater hatte eine Weste mit aufgestickten Pfauen,
und er hat sie mir vermacht, und nun habe ich sie. Vererbung nennt man
so was.«
»Nein, die Evolution…«, begann Ponder in der vagen Hoffnung, daß
ihm Ridcully wenigstens diesmal zuhörte.
»Wie dem auch sei«, fuhr der Erzkanzler ungerührt fort. »Die meisten
Leute kennen inzwischen den Unterschied zwischen gewöhnlichen Tieren
und Affen. Die Evolution hat dafür gesorgt. Man kann sich kaum fort-
pflanzen, wenn man Kopfschmerzen hat, weil jemand dafür sorgte, daß
man wie ein Bal hin und her sprang.«
Die Wel en wurden jetzt kleiner.
»Können Trolle schwimmen?« fragte Casanunda.
»Nein. Sie sinken zum Grund und gehen dann ans Ufer.« Ridcully
drehte sich um und lehnte sich mit den El enbogen auf das Geländer.
»Ach, ich fühle mich ins Damals zurückversetzt. Der alte Lancrefluß…
Meine Güte, da unten gibt’s Forel en, die einem den Arm abbeißen kön-
nen.«
»Nicht nur Forel en«, murmelte Ponder und beobachtete, wie ein Helm
die Wasseroberfläche durchstieß.
»Und dann die glasklaren Tümpel weiter flußaufwärts«, sagte Ridcully.
»Voll mit… äh, glasklaren Dingen. Da kann man nackt baden, ohne von
jemandem gesehen zu werden. Und Rieselwiesen, auf denen, äh, es rie-
selt oder so, keine Ahnung, und viele Blumen und so weiter.« Er
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