Lords und Ladies
die Küche ging. Magrat verstand es ebensowenig wie das
Mädchen. Die Dinge mußten im Gleichgewicht sein. Man konnte nicht
einfach eine gute oder eine schlechte Hexe sein. So was ging nie gut. Man mußte sich damit begnügen, eine Hexe zu sein – es galt, alle Mühe darauf zu konzentrieren.
Oma nahm am kalten Kamin Platz und widerstand der Versuchung,
sich mit dem Bein am Ohr zu kratzen.
Irgendwie war ihnen der Wechsel in diese Welt gelungen. Sie spürte es in den Bäumen, in den Selbstsphären kleiner Tiere. Sie plante etwas –
etwas, das bald geschehen sol te. Im okkulten Sinne spielte die Sommer-
sonnenwende keine große Rol e, aber sie hatte Bedeutung für das Den-
ken und Fühlen der Menschen. Und aus jenem Denken und Fühlen be-
zogen die Elfen Kraft.
Oma wußte, daß es früher oder später zu einer Konfrontation mit der
Königin kommen würde. Nicht mit Magrat, sondern mit der Königin.
Und dann drohte ihr, Esme Wetterwachs, eine Niederlage.
Ein ganzes Leben lang hatte sie daran gearbeitet, ihr eigenes Ich unter
Kontrolle zu halten, und sie war sehr stolz auf die dabei erzielten Erfol-
ge.
Doch jetzt ließ sie sich plötzlich selbst im Stich. Unter den gegenwärti-
gen Umständen brauchte sie ihr ganzes Selbstvertrauen, doch in ihr
wuchs das sehr unangenehme Gefühl, daß kein hundertprozentiger Ver-
laß mehr auf sie war. Sie spürte das mentale Tasten der Königin – nach
al den Jahren erinnerte sie sich noch immer deutlich an Präsenz und
Struktur jenes Bewußtseins. Darüber hinaus schien mit ihrer Fähigkeit
des Borgens soweit alles in Ordnung zu sein. Aber ihr Ich… Wenn sie sich nicht al es auf kleine Zettel schrieb, verlor sie die Orientierung. Eine Hexe zu sein… Es bedeutete, genau zu wissen, wer und wo man war.
Und gerade in dieser Hinsicht lief Oma nun Gefahr, die Übersicht zu
verlieren. Am vergangenen Abend hatte sie den Tisch für zwei Personen
gedeckt und versucht, ein Zimmer zu betreten, daß es in ihrer Hütte
überhaupt nicht gab.
Und bald mußte sie gegen eine Elfe antreten.
Wenn man gegen eine Elfe antrat und verlor… Dann starb man, mit
etwas Glück.
Eine fröhliche Millie Chillum brachte Magrat das Frühstück ans Bett.
»Die ersten Gäste sind eingetroffen, Gnäfrau. Und der Platz ist mit
bunten Fähnchen und so geschmückt! Und Shawn hat die Krönungskut-
sche gefunden!«
»Wie kann man eine Kutsche verlieren?« fragte Magrat.
»Sie stand in einem verschlossenen Schuppen, Gnäfrau. Er streicht sie
gerade neu an, mit goldener Farbe.«
»Aber die Hochzeit findet hier statt«, wandte Magrat ein. »Wir brauchen nirgends hinzufahren.«
»Der König schlug vor, ein wenig mit der Kutsche durch die Gegend
zu fahren, viel eicht bis zum Blöden Kaff. Mit Shawn Ogg als militäri-
scher Eskorte. Damit die Leute winken und Hurra rufen können. An-
schließend kehrt ihr hierher zurück.«
Magrat streifte den Morgenmantel über und trat ans Fenster. Von dort
aus konnte sie über die Außenmauern des Schlosses hinweg bis zum
Stadtplatz blicken, wo sich ziemlich viele Leute eingefunden hatten. Es
wäre ohnehin Markttag gewesen, aber jetzt stel te man auch Sitzbänke
auf. Der Maibaum stand bereits.
»Ich habe gerade einen Affen auf dem Platz gesehen«, sagte Magrat.
»Die ganze Welt kommt nach Lancre!« entfuhr es Millie, die sogar
schon einmal in Schnitte gewesen war.
Magrat bemerkte eins der Bilder, das Verence und sie zeigte.
»So ein Unfug«, murmelte sie.
Millie hörte sie und riß schockiert die Augen auf.
»Wie meinst du das, Gnäfrau?«
Magrat drehte sich um.
»All dies! Für mich !«
Die Zofe wich furchtsam zurück.
»Ich bin doch nur Magrat Knoblauch! Könige sollten Prinzessinnen
und Herzoginnen und so heiraten! Die sind an so etwas gewöhnt! Ich
möchte nicht, daß jemand Hurra ruft, nur weil ich mit einer Kutsche
vorbeifahre! Noch dazu Leute, die ich überhaupt nicht kenne! Dies al-
les…« Magrat winkte verzweifelt ab. Ihre Gesten galten dem verhaßten
Kleiderschrank, dem gewaltigen Himmelbett und einem Nebenzimmer,
in dem steife, teure Kleidung auf sie wartete. »Es ist nicht für mich, sondern für eine Idee. Bestimmt hast auch du als Kind Ausschneidepuppen mit Ausschneidekleidern bekommen, ja, und du konntest mit ihnen machen, was du wolltest, sie anziehen, wie du wolltest. So geht’s mir! Es
ist… wie mit den Bienen! Man macht mich zur Königin, ob ich’s will
oder nicht!«
»Der König hat dir die
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