Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gewickelt waren.
    »So was liegt hier überall«, sagte Magrat. »Warum?«
    Shawn betrachtete seine Füße. Auch an den Stiefeln glänzte Goldfarbe.
    »Nun, unsere Mama meinte…«
    »Ja?«

    »Unsere Mama meinte, es sei sehr wichtig, daß es hier genug Eisen
    gibt. Deshalb haben Millie und ich einige Stangen aus der Schmiede ge-
    holt und sie umwickelt, und Millie hat sie hierhergebracht.«
    »Warum?«
    »Um die, äh, Herren und Herrinnen fernzuhalten.«
    »Was? Aber das ist doch nur ein alter Aberglaube. Außerdem: Alle wis-
    sen, daß Elfen gut sind – was auch immer Oma Wetterwachs behauptet.«
    Shawn schnitt eine Grimasse, als Magrat ein Bündel unter der Matratze
    hervorzog und es in die Ecke warf.
    »Hier halten wir nichts von einem derartigen Unfug. Gibt es sonst
    noch etwas, von dem man mir nichts gesagt hat?«
    Shawn schüttelte den Kopf und dachte schuldbewußt an das Wesen im
    Kerker.
    »Na schön. Geh jetzt. Verence möchte ein modernes, effizientes Kö-
    nigreich, und das bedeutet: keine Hufeisen und so. Geh endlich!«
    »Ja, Frau Königin.«
    Ich habe durchaus die Möglichkeit, hier positive Veränderungen zu bewirken, ging es Magrat durch den Sinn.
    Und sie fuhr fort: Ja, genau. Sei vernünftig. Darauf kommt’s an – auf die Vernunft. Rede mit ihm. Sie glaubte fest daran, daß sich al e Probleme lösen ließen, wenn die Leute nur miteinander redeten.
    »Shawn?«
    Er blieb an der Tür stehen.
    »Ja, gnä’ Frau?«
    »Ist der König bereits im Großen Saal?«
    »Ich glaube, er zieht sich noch an, Frau Königin. Jedenfal s hat er mich
    bisher nicht angewiesen, die Fanfare erklingen zu lassen.«
    Verence mochte es nicht besonders, von Shawn mit schmetternden
    Trompetenstößen angekündigt zu werden, und deshalb hatte er an die-
    sem Morgen seine Gemächer inkognito verlassen. Magrat wußte nichts
    davon, ging zu seinem Schlafzimmer und klopfte an.

    Warum schüchtern sein? Am nächsten Tag war es auch ihr Schlafzim-
    mer, oder? Sie drehte den Knauf, und die Tür öffnete sich. Fast gegen
    ihren Willen trat sie ein.
    Von den Räumen im Schloß konnte man kaum behaupten, daß sie je-
    mandem gehörten. Im Lauf der Jahrhunderte hatten zu viele Personen
    darin gewohnt. Die Atmosphäre stel te ein Äquivalent jener Wände dar,
    in denen zahllose winzige Löcher an zahllose Poster inzwischen längst
    aufgelöster Rockgruppen erinnerten. Solchen Steinen konnte man keine
    individuel e Persönlichkeit aufprägen; gegen so etwas waren sie längst
    immun.
    Magrat betrat nun das Schlafzimmer eines Mannes und empfand dabei
    wie ein Forscher, der jene Region erreichte, die auf der Landkarte mit
    »Hier könnten Drachen hausen« markiert war.*
    Der Raum entsprach nicht ganz ihren Vorstel ungen.
    Das Schlafzimmerkonzept hatte Verence erst recht spät in seinem Le-
    ben kennengelernt. Als er noch ein Junge gewesen war, schlief die ganze
    Familie im Stroh auf dem Dachboden der Hütte. Als Lehrling in der
    Gilde der Narren und Witzbolde hatte er sich mit einer einfachen Prit-
    sche in einem großen Wohnheim begnügen müssen, das er mit vielen
    anderen traurigen und bedrückten Jugendlichen geteilt hatte. Als voll
    ausgebildeter Narr schlief er zusammengerollt vor der Tür seines Herrn,
    wie es die Tradition verlangte. Erst viel später als die meisten Leute be-
    kam er Gelegenheit, weiche Matratzen auszuprobieren.
    Jetzt erfuhr Magrat vom großen Geheimnis des Königs.
    Das Experiment hatte nicht funktioniert.
    In der Mitte des Zimmers stand das große Bett von Lancre. Es hieß,
    daß mehr als zehn Personen darin schlafen konnten, doch in Hinsicht
    auf die Umstände und das Warum ließ sich keine Gewißheit erlangen.
    Wie dem auch sei: Das Bett war riesig und bestand aus Eiche.

    * Auf der Straßenkarte »Das Α und Ω alliger Strahsen in Ankh-Morpork« ist
    dieser Ort mit folgenden Worten gekennzeichnet: »Sonnenscheinheim für ein-
    same und kranke Drachen, Morphische Straße; Kohlenspenden bitte am Ne-
    beneingang hinterlassen. Unser Motto lautet: Ein Drache ist fürs ganze Leben, nicht nur für die Silvesternacht.«

    Ganz offensichtlich hatte niemand darin geschlafen.
    Magrat zog die Decke zurück, roch angesengtes Leinen – und sonst
    nichts. Dieser Geruch teilte mit: Hier hat niemand gelegen und geträumt.
    Sie blickte sich um, bis sie das kleine Stilleben an der Tür bemerkte. Es
    bestand aus einem zusammengefalteten Nachthemd, einem Kerzenhalter
    und einem kleinen Kissen.
    Seit Verence die Königskrone

Weitere Kostenlose Bücher