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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Stromschnel en des Lancre-
    flusses und der Stadt Lancre konnte man sich gar nicht verirren. Es ging immer bergauf. Außerdem war Oma Wetterwachs einen großen Teil
    ihres Lebens im hiesigen Wald herumgestreift. Er gehörte ihr praktisch.
    Inzwischen zweifelte sie kaum mehr daran, daß sie dreimal am gleichen
    Baum vorbeigegangen war. Ein Fetzen von Ridcul ys Mantel hing daran.
    Oma fühlte sich wie jemand, der im eigenen Garten die Orientierung
    verloren hatte.
    Darüber hinaus glaubte sie, dann und wann das Einhorn gesehen zu
    haben. Es folgte ihnen. Sie versuchte, sich ins Selbst jenes Wesens zu

    tasten, aber ebensogut hätte sie probieren können, eine Eiswand zu er-
    klettern.
    In ihrem eigenen Ich herrschte keine Ruhe, doch wenigstens durfte sie
    sicher sein, daß sie nicht den Verstand verlor.
    Wenn die Wände zwischen den Universen dünn sind, wenn sich die
    paral elen Stränge des Wenn und Fal s zusammendrängen, um das Jetzt
    zu passieren, so wechseln gewisse Dinge von einer Seite zur anderen. Es
    sind sehr leise Signale, doch sie können wahrgenommen werden, wenn
    der Empfänger richtig eingestellt und sensibel genug ist.
    Hinter Omas Stirn flüsterten die beharrlichen Gedanken von tausend
    Selbstsphären, die al e Esme Wetterwachs hießen.

    Magrat wußte nicht genau, was sie einpacken sol te. Der größte Teil ihrer
    ursprünglichen Kleidung schien verschwunden zu sein, seit sie im Schloß
    wohnte. Und vermutlich bewies sie keine guten Manieren, wenn sie jene
    Sachen mitnahm, die von Verence stammten. Ähnliches galt für den
    Verlobungsring. Magrat bezweifelte, ob man ihn in solchen Fäl en behal-
    ten durfte.
    Sie betrachtete sich im Spiegel.
    Und nahm sich vor, nicht mehr solche Sachen zu denken. Ihr ganzes
    Leben hatte sie damit verbracht, sich klein und unwichtig vorzukommen,
    immer höflich zu sein und sich zu entschuldigen, wenn ihr jemand auf
    den Fuß trat. Immer hatte sie gute Manieren zeigen wol en. Und das
    Ergebnis? Man behandelte sie, als wäre sie klein, unwichtig, höflich und
    hätte gute Manieren.
    Sie würde den, den, den verdammten Brief an den Spiegel heften, damit al e wußten, warum sie fortgegangen war.
    Ja, und dann würde sie ein neues Leben anfangen, in irgendeiner großen Stadt, als Kurtisane oder so. Was auch immer das sein mochte.
    Und dann hörte Magrat den Gesang.
    Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas Schöneres vernommen. Die
    Melodien flossen durch die Ohren ins Gehirn, ins Blut und Knochen-
    mark…
    Ein seidenes Mieder rutschte ihr aus der Hand und fiel zu Boden.

    Sie zerrte an der Tür, bis sich ein noch halbwegs rationaler Teil ihres
    Ichs an den Schlüssel erinnerte.
    Der Gesang hal te durch den Flur. Magrat hob den Saum des Hoch-
    zeitskleids, um schneller zu laufen, eilte zur Treppe…
    Etwas sauste durch eine andere Tür, und es kam zu einer Kollision, die
    Magrat zu Boden schleuderte.
    Das Etwas hieß Shawn Ogg. Durch chromatischen Dunst sah Magrat
    ein besorgtes Gesicht unter der rostigen Kapuze des…
    … Kettenhemds aus Eisen.
    Der Gesang veränderte sich und blieb doch gleich. Die komplexen Me-
    lodien und der faszinierende Rhythmus gewannen eine neue, unange-
    nehme Qualität – Magrat schien das Lied plötzlich mit anderen Ohren
    zu hören.
    Shawn zog sie zur Tür.
    »Ist alles in Ordnung mit dir, Fräulein Königin?«
    »Was geht hier vor?«
    »Ich weiß es nicht genau, Fräulein Königin. Allerdings vermute ich,
    daß wir es mit Elfen zu tun haben.«
    »Mit Elfen?«
    »Das Tockley-Mädchen befindet sich in ihrer Gewalt. Ähm. Du hast
    das Eisen weggenommen…«
    »Wovon redest du da?« fragte Magrat verdutzt.
    Shawns Gesicht war kalkweiß.
    »Der Elf im Kerker begann zu singen, und sie haben das Mädchen ge-
    zeichnet, damit es ihnen gehorchen muß…«
    »Shawn!«
    »Und Mama meinte, sie töten nicht, wenn sich’s vermeiden läßt. Zu-
    mindest töten sie nicht sofort. Lebend machen wir ihnen viel mehr
    Spaß.«
    Magrat starrte ihn mit großen Augen an.

    »Ich mußte fliehen! Sie versuchte, mir die Kapuze abzunehmen! Es
    blieb mir gar nichts anderes übrig, als den Kerker zu verlassen, Fräulein
    Königin. Verstehst du?«
    »Elfen?«
    »Besorg dir irgendeinen Gegenstand aus Eisen, Fräulein Königin! Sie
    verabscheuen Eisen!«
    Magrat holte aus und versetzte Shawn eine Ohrfeige. Dabei berührten
    ihre Finger die metal ene Kapuze und schmerzten.
    »Du faselst dummes Zeug, Shawn!«
    »Sie sind da draußen, Fräulein Königin! Ich habe gehört,

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