Loretta Chase
zog
einen der dünnen Seidenstrümpfe über ihren schmalen Fuß und den anmutigen
Knöchel, streifte ihn über ihre wohlgeformte Wade und das absolut hinreißende
Knie. Irgendwie wurde ihm dabei ganz weh ums Herz.
Er band das
Strumpfband fest. Dann wiederholte er das ganze Prozedere am anderen Bein.
In gewisser
Weise war es Folter – doch kein Vergleich zu der Lust, die es ihm bereitete,
sie so an- und auszuziehen, als wäre sie sein.
»Du hast
dich sehr gründlich mit meinen Kleidern befasst«, stellte sie fest. »Bis ins
letzte Detail.«
»Ich habe
ein Faible für Details«, sagte er.
»Und dabei
blieb dir noch genügend Geisteskraft, das Rätsel des mysteriösen Zettels zu
lösen.«
Gerade
hatte er ihre Unterhose aufheben wollen, nun hielt er inne. Den Zettel hatte er
ganz vergessen.
Aber ach,
es war ja nur ein Stück Papier! Ein paar Kritzeleien, eine kleine
Verstandesübung.
Sie hingegen – wie sie ihn ansah und wie
sie roch und die Farbe ihre Augen und wie ihre Wangen sich rosig färbten und
ihr blassen Sommersprossen, die wie feiner, goldener Wüstensand ihre Haut
besprenkelten. Wäre er ein alter Ägypter, würde er sich ihr Bild an die Wände
seiner Grabkammer malen lassen, damit er sie bis in alle Ewigkeit anschauen
könnte.
Sie hatte
den Skarabäus in einen Ring fassen lassen und ihn tagein, tagaus getragen. Er
hob sie vom Tisch und half ihr in die Unterhose, schnürte die Bänder zu und
ließ sie in Unterrock und Kleid schlüpfen, schnürte, knöpfte und hakte auch
hier alles zu, was er zuvor aufgeschnürt, aufgeknöpft und aufgehakt hatte.
»So«, sagte
er. Fertig, alles wieder so, wie es sein sollte – abgesehen von ihrem Haar, das
halb aufgelöst herabhing und sich in einem ihrer Ohrringe verfangen hatte. Sie
trat dicht vor ihn und legte ihm die Hand auf die Brust. Dann ließ sie ihre
Hand abwärts wandern, immer weiter abwärts. »Lisle«, sagte sie. »Das war so aufregend.«
»Ich denke ...«, sagte er. Aber er konnte nicht denken. Ihre Hand lag warm auf
seinem Schaft, der sich hoffnungsfroh reckte und regte. Wie sie ihn ansah und
wie sie roch und der Klang ihrer Stimme und ihr Lachen ...
Er wartete
nicht ab, was sein Gewissen ihm zu sagen hatte.
Er drängte
sie gegen die Wand, hob ihre Röcke und fand den Schlitz in ihrer Unterhose. Diesmal zog er ihr nichts aus.
Später
Olivia zog sich den Strumpf hoch, der während
ihrer fiebrigen Vereinigung abwärts gewandert war, und band sich das
Strumpfband fest. Aus den Augenwinkeln sah sie Lisle zu, wie er seine Hose
zuknöpfte.
»Wir
sollten zusehen, dass wir hier rauskommen«, sagte er.
»Das
sollten wir«, sagte sie. »Die Sache läuft etwas aus dem Ruder.«
Es mochte
ihr an praktischer Erfahrung in leidenschaftlichen Belangen fehlen, aber sie
wusste die Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Je öfter sie es taten, desto
größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie dabei auch empfinge.
Wenngleich
bei genauerer Betrachtung die Wahrscheinlichkeit bei jedem Mal gleich groß sein
dürfte. Wenn er ihr nun also ein Kind ...
Sie schaute
ihn sich an, so groß, stark und strahlend – und immer auch ein bisschen
unzivilisiert. Sollte sie empfangen, würde es sie nicht reuen. Ihr würde schon
etwas einfallen. Darin war sie gut: sich etwas einfallen lassen.
Er zog den
Stuhl unter der Klinke der zum Nordturm gelegenen Tür weg.
Sie sah zum
Fenster hinaus. »Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, das Zwischengeschoss bei
Tageslicht zu erkunden«, meinte sie. »Die Sonne steht schon tief.«
Er hatte
gerade die Tür zum Südturm entriegeln wollen, hielt nun inne und folgte ihrem
Blick. »Wie lange waren wir hier drin?«
»Eine ganze
Weile«, sagte sie. »All das Aufschnüren und Aufknöpfen und Aufhaken, dann das
Zuschnüren und Zuknöpfen und Zuhaken. Das braucht seine Zeit. Dann das zweite
Mal. Dabei haben wir zwar weniger Umschweife gemacht, aber mir schien, dass wir
dafür länger ...«
»Allerdings«,
sagte er und machte die Tür auf. »Zeit zu gehen.« Er winkte sie hinaus. Ja,
höchste Zeit .
Schon
wieder fing sie an, sich Fragen zu stellen. Quälende Fragen.
Was
wirst du tun, wenn er wieder fortgeht?
Ist es
so schlimm, an zweiter Stelle zu stehen – oder an dritter oder vierter? Ist es
schlimmer, als gar nichts zu haben, als über Kontinente voneinander getrennt zu
sein und auf den unheilvollen Brief zu warten, in dem er dir mitteilt, dass er
geheiratet hat und niemals zurückkommen wird?
Wäre es
so schlimm – würde die Welt untergehen
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