Loretta Chase
Armen
erschlaffen.
Fassungslos
blickte er auf sie hinab. Sie blinzelte, sah ihn dann aus großen blauen Augen
verwundert an.
Ihm fiel
ein riesiger Stein vom Herzen. »Ich will hoffen, dass du vor Ekstase in Ohnmacht
gesunken bist«, brummelte er.
»Ja«, sagte
sie benommen. »Du meine Güte.«
Sie hatte Ich
liebe dich gesagt.
Er nahm
ihre Hand – die, an der sie den Ring trug.
»Was ist das?«,
wollte er wissen.
»Ein Ring«,
sagte sie.
»Ich meinte
den Stein.«
»Das ist
ein Skarabäus«, sagte sie. »Du hast ihn mir geschickt. Wahrscheinlich erinnerst
du dich nicht mehr daran.«
Und ob er
sich daran erinnerte. Er hatte ihn vor Ewigkeiten mit einem seiner Briefe an sie
geschickt.
»Ich habe
einen Ring daraus machen lassen«, fuhr sie fort.
»Wann?«
»Gleich
nachdem ich entschieden hatte, ihn nicht in eine Kette oder ein Armband fassen zu
lassen«, meinte sie. »Einen Ring, so dachte ich mir, könnte ich immer tragen,
jeden Tag.«
Er starrte
auf den Ring.
Immer.
Jeden Tag.
All die
Jahre.
Dutzendweise
gelöste Verlobungen und im Exil endende Episoden. Wie viele Briefe hatte sie
ihm geschrieben, die mit Ich bin wieder in UNGNADE gefallen begonnen
hatten oder mit Man hat mich einmal mehr aufs Land VERBANNT, bis der Furor sich gelegt hat.
Olivia, so
sorglos und verwegen, die nur nach ihren eigenen Regeln lebte. Aber all die
Zeit war sie ihm, in gewisser Weise – auf ihre Weise – treu gewesen.
»Hast du
den auch beim Geburtstagsball deiner Urgroßmutter getragen?«, fragte er.
»Natürlich habe ich ihn getragen«, erwiderte sie. »Ich trage ihn immer .
Er gibt mir das Gefühl, dich stets ... zur Hand zu haben.« Sie lachte.
»Ich bin
schockiert«, sagte er. »Ein schlechtes Wortspiel, ausgerechnet jetzt. Sieh dich
nur an, splitterfasernackt ...«
»Ja,
unglaublich, nicht wahr? Ich habe noch nie zuvor nackt am Fenster gesessen.
Welch erquickende Erfahrung, in jeder Hinsicht. Wie einfallsreich du bist.«
Nur sie
konnte so dasitzen, nackt am Fenster einer kalten, kargen Kammer in einer
düsteren, kalten Burg, und darüber lachen. Das war ein Anblick, den er bewahren
und mitnehmen wollte ... nach Ägypten.
Ein
Anblick, den er aber nicht unbedingt mit aller Welt teilen wollte. Ein Glück,
dass die Fenster der Burg in tiefen Mauerlaibungen lagen, und dieses hier war
ganz besonders schmal. Ansonsten hätten die Arbeiter unten im Hof ordentlich
was zu sehen bekommen.
Was ihr
aber wahrscheinlich auch nichts ausgemacht hätte.
»Da es sich
so ergeben hat, schien es mir das Naheliegendste«, meinte er. »Das einzig
Richtige, um genau zu sein. Das ist das Problem, wenn man einmal damit
anfängt.« Während er sprach, suchte er ihr Schultertuch aus den am Boden
liegenden Kleidern heraus und hüllte sie darin ein. Dann steckte er sich das
Hemd in die Hose und knöpfte sie zu.
Er hob auch
ihre restlichen Kleider auf und beherrschte sich, nicht sein Gesicht darin zu vergraben.
Er schüttelte ihre Chemise aus und zog sie ihr über. »Tu mir bitte den
Gefallen, kein Lungenfieber zu bekommen«, sagte er.
»Das wäre
es mir wert gewesen«, sagte sie. »Ziehst du mich jetzt wieder an?«
»Natürlich.
Ich habe dich ausgezogen, also werde ich dich auch wieder anziehen.« Er nahm
sich das Korsett vor. »Könntest du dich umdrehen? Es geht leichter, wenn ich
diese vertrackten Haken und Ösen vor Augen habe.«
»Selbst
Bailey kann es nicht, ohne dass ich mich umdrehe«, meinte sie. »Erstaunlich, wie
du das eben geschafft hast.«
»Ich habe
mich ausführlich mit der Beschaffenheit deiner Garderobe vertraut gemacht«,
sagte er. »Seit ich dich zuletzt gesehen habe, hat sich viel verändert. Jedes
Mal, wenn ich nach Hause komme, sind deine Kleider wieder etwas komplizierter
geworden.«
»Ein
Rätsel, das du unbedingt lösen wolltest«, sagte sie. »So wie dir eine Inschrift
rätselhafter Hieroglyphen keine Ruhe lässt.«
»Es hatte
nicht nur einen rein intellektuellen Reiz«, meinte er.
Er hob ihre
Strümpfe und Strumpfhalter auf.
»Das kann
ich selber machen«, sagte sie.
»Ich habe
sie ausgezogen«, beharrte er. »Also ziehe ich sie dir auch wieder an.« Nie
zuvor hatte er Frauenkleidern solche Aufmerksamkeit gewidmet, und ganz ehrlich
– er musste ihnen all seine Aufmerksamkeit widmen, so kompliziert waren die
Mechanismen, die sich Schicht um Schicht enthüllten. Faszinierend eigentlich.
Dabei war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie aufmerksam er ihre Kleider
die letzten Tage über begutachtet hatte.
Er
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