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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein verlockend beherrschter Earl
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der die Anhöhe
krönte.
    Lisle war
eben aus dem Dorf zurückgekommen, gerade rechtzeitig, um Olivias Kutsche neben
dem Friedhof und der Kirchenruine anhalten zu sehen. Sie war ausgestiegen, ein
paar Schritte vorgelaufen, und da stand sie nun, die Hände über der Brust
verschränkt, und blickte sichtlich ergriffen zu Gorewood Castle hinauf.
    Eine
Kolonne von Wagen – hauptsächlich Karren und Fuhrwerke – war ihrer Kutsche
vorausgefahren. Weitere folgten. Die Dorfbewohner hatten alles stehen und
liegen gelassen, waren aus ihren Häusern geeilt und gafften.
    Er auch.
Seit der Krönung Georges IV., die zehn Jahre zurücklag, hatte er keine solche
Wagenkolonne mehr gesehen.
    Sie
hingegen schien die Gespanne, die an ihr vorbeifuhren, nicht zu bemerken. Sie
schien überhaupt nichts zu bemerken, so sehr war sie in die Betrachtung dieses
kolossalen, düsteren Steinhaufens versunken.
    Lisle
wusste, dass sie weitaus mehr darin sah als er.
    Eigentlich
sah er überhaupt nur Olivia, in einer Pose, die so typisch für sie war. Er
blieb noch einen Moment stehen und betrachtete sie, wie sie da stand, so still
und reglos, dass er – hätte er Fantasie gehabt, was er nicht hatte – hätte
glauben können, sie wäre von einem Zauber gebannt.
    Aber bei
Olivia war alles denkbar, auch ein Zauber. Dazu brauchte man nicht mal
Fantasie. Dazu brauchte man nur Olivia zu kennen.
    Was, so
fragte er sich, würde sie wohl von den Pyramiden halten?
    Dumme
Frage. Natürlich wäre sie hingerissen. Ein Abenteuer! Die Entbehrungen würden
ihr nichts ausmachen. Immerhin war sie auf den Straßen Dublins und Londons
aufgewachsen. Sie wäre ganz aufgeregt und außer sich vor Glück ... bis der Reiz
des Neuen verflogen wäre und sie sich wieder zu langweilen begänne.
    Sein Leben
war längst nicht so aufregend, wie sie es sich vorstellte. Die Arbeit konnte
öde und gleichförmig sein. Der Entdeckung und Erkundung einer Grabstätte gingen
Tage, Wochen, Monate, gar Jahre geduldigen Suchens voraus. Tagein, tagaus in
der Hitze zubringen, Arbeiter dabei beaufsichtigen, wie sie sorgsam, Schicht um
Schicht feinen Wüstensand abtrugen. Das mühselige, peinlichst genaue Kopieren
der Inschriften und Grabausmalungen, das Vermessen und Festhalten der antiken
Bauten in maßstabsgetreuen Zeichnungen, um sie der Nachwelt zu bewahren, ehe
sie eines Tages ganz verschwunden wären.
    Was
schneller gehen konnte, als man dachte. Ganze Wände und Decken waren abgetragen
und außer Landes gebracht worden, um Museen und private Sammlungen zu
schmücken. Tempel waren abgerissen, die Steine zum Bau von Fabriken verwendet
worden.
    Wie er sie
vermisste, diese mühselige, gleichförmige Arbeit. Es vermisste das Erforschen,
Vermessen, Sortieren, Katalogisieren, Ordnung schaffen.
    Seine
Leidenschaft für Ägypten verstand sie, doch niemals würde sie seine
Leidenschaft für derlei eintönige Arbeiten verstehen. Sein abenteuerliches
Leben würde sie zu Tode langweilen, und er wusste, was passierte, wenn Olivia
sich langweilte.
    Eines Tages
würde gewiss auch sie die Pyramiden sehen. Sie würde sie besichtigen wie alle
Ägyptenreisenden es taten. Mit Grauen dachte er an jene englischen Adeligen,
die auf ihren Segelschiffen den Nil erkundeten, um nach ein paar Monaten, ihre
Boote bis unter den Bug mit Antikenschätzen beladen, nach England zurückzukehren.
    Während er
in Gedanken noch weltenweit entfernt war, drehte sie sich um. So unerwartet kam
es, dass er alles andere vergaß. Nichts blieb außer ihrem schönen Gesicht, den
blauen, blauen Augen und der hell schimmernden Haut, die sich an den Wangen nun
rötete wie der Himmel bei Sonnenaufgang.
    Es traf ihn
mitten ins Herz.
    »Ah, da ist
ja der Burgherr«, sagte sie in sehr schottisch klingendem Tonfall, den sie
wahrscheinlich in Edinburgh aufgeschnappt hatte.
    Der
missliebige Klang riss Lisle jäh aus seinen Träumen. Blieb nur zu hoffen, dass
sie nicht auch das Dudelsackspiel erlernt hatte.
    Er ging zu
ihr. »Sag das mal den Eingeborenen«, meinte er. »Sie führen sich auf, als wäre
ich der Steuereinnehmer oder der Henker.«
    Sie lachte
ihr leises, samtenes Lachen. Er spürte, wie das Verderben ihn anzog, fühlte
sich wie eine unbelehrbare Fliege, die immer wieder ihre Kreise um das Netz der
Spinne zog.
    Fakten.
Sich an die Fakten halten. Er musterte ihre Kleider, als wären es Antikenfunde.
    Auf dem
roten Lockenschopf thronte der übliche modische Aberwitz der Hutmacher: ein
Ungetüm mit einer Krempe so ausladend wie das

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