Loretta Chase
hätte. Sooo nah war sie daran gewesen, ihre
Jungfräulichkeit zu verlieren. An ihn . Ausgerechnet.
»Es war
meine Schuld«, sagte sie. »Du weißt, dass es mir schon immer an
Selbstbeherrschung und Moral gemangelt hat. Das ist der Fluch der
Ungeheuerlichen DeLuceys. Wir sind alle so, bis auf meine Mutter. Sie schlägt
aus der Art.«
»Wir
sollten zusehen, dass wir hier rauskommen«, sagte er. »Sofort.«
»Das geht nicht«,
erwiderte sie. »Die Dienstboten brauchen nur einen Blick auf uns zu werfen und
werden sofort wissen, dass wir ein Geheimes Stelldichein hatten.«
»Nichts
dergleichen werden sie wissen«, beschied er. »Sie werden glauben, wir wären uns
mit dem Koch in die Haare geraten.«
Sie sah an
ihrem Kleid hinab. Das Oberteil war völlig verzogen. »Das glaubst du doch wohl
selbst nicht«, meinte sie und zog es entschieden zurecht, strich ihre Röcke
abermals glatt. Ihre Frisur war auch in Auflösung begriffen, aber es dürfte
vergebliche Liebesmüh sein, Lisle zu bitten, ihr das Haar zu richten.
»Geh du
voraus«, sagte er.
Sie ging an
ihm vorbei den kurzen Gang hinab. Statt ihr vorauszueilen und ihr die Tür zu
öffnen, blieb er zurück. Wahrscheinlich wartete er, dass seine Erregung sich
legte. Die recht beachtlich gewesen war – um das zu merken hätte sie ihm nicht
einmal an die Hose fassen müssen, denn es war wirklich sehr offensichtlich
gewesen, aber ... Es mangelte ihr ganz furchtbar an Selbstbeherrschung. Kaum
kam eine Versuchung des Weges, verfiel sie ihr, mit Haut und Haar und ohne mit
der Wimper zu zucken. Was für ein unmoralisches Geschöpf sie doch war.
Er war aber
auch einfach zu verlockend, als dass eine prinzipienlose Frau wie sie ihm hätte
widerstehen können. Und wenn er guter Dinge war, fand sie ihn gar noch verlockender,
als wenn er, wie in Stamford, verdrießlich war. Diesmal hatten ihre Knie glatt
nachgegeben. Sie war dahingeschmolzen vor Lust. Hätte er sie nicht
festgehalten, wäre sie ihm völlig aufgelöst zu Füßen gesunken.
Vermutlich
hatte er auf die Kunst des Küssens dieselbe beflissene Beharrlichkeit verwandt
wie auf die Verbesserung seiner Zeichenkünste. So wie er sich durch
hundertmaliges Üben beigebracht hatte, beim ersten Streich schon mit einer
Zunderbüchse Funken zu schlagen.
Was
vermuten ließe, dass er auch im Bett ... aber dies war nicht die rechte Zeit,
derlei Vermutungen anzustellen.
Sie stieß
die Tür auf und trat in den großen Saal.
Lisle
folgte kurz darauf.
Da standen
sie noch immer, alle Dienstboten, ordentlich aufgereiht.
Nur sahen
sie nun weder verzagt noch niedergeschlagen aus.
Vielmehr
schienen sie vor Neugier zu platzen.
Olivia
straffte die Schultern und verwandelte sich wieder in die Burgherrin. »Zurück
an die Arbeit«, wies sie das Küchenpersonal an.
Im
Gänsemarsch eilten sie an ihr vorbei durch die Tür.
Nachdem
auch alle weiteren Pflichten verteilt waren, verlief das kleine Grüppchen sich
rasch.
Nur zwei
Diener blieben zurück, um Möbel und Gepäck in das Quartier der Harpyien zu
tragen. Die Tür zur Treppe stand offen, und man konnte die Stimmen der beiden
Damen hören, die lautstark darüber stritten, wer das untere Zimmer belegen würde
und wer das obere.
Das sollten
sie mal schön unter sich ausmachen.
Als Olivia
sich wieder Lisle zuwandte, sprach der gerade mit Nichols. Der Kammerdiener
nickte und entfernte sich lautlos.
»Sie haben
es gehört«, flüsterte Lisle.
»Das dachte
ich mir schon«, erwiderte sie. »Deswegen sahen sie so munter aus.«
»Nicht uns «,
sagte er. »Deine Auseinandersetzung mit Aillier.« Er deutete auf die Tür zum
Küchengang. »Die Türen schließen nicht richtig. Zudem ist das Mauerwerk brüchig
und die Fenster undicht, was heißt, dass jeder Laut ungeahnt trägt. Sie haben
gehört, wie er dich angebrüllt hat. Zum Teil haben sie auch gehört, was du ihm
erwidert hast. Seine Reaktion darauf war zumindest nicht zu überhören. Und kurz
darauf ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Hast du gesehen, wie
bereitwillig die Mädchen in die Küche zurückgekehrt sind? Auch die anderen
Bedienten sind schwer beeindruckt.«
Sie
lächelte. »Ich habe den Drachen in seiner Höhle erlegt.«
»Du warst
brillant«, sagte er. Und nach kurzem Zögern: »Ich hätte es wissen sollen. Es
tut mir leid, an dir gezweifelt zu haben. Trotzdem – ich bin noch immer
keineswegs glücklich, hier zu sein. Aber mit dir ist es nicht mehr gar so
schlimm.«
»Danke, das
freut mich«, sagte sie. »Ich finde
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