Loretta Chase
Diggerby, der sie begleiten soll, und nimmt zudem Bezug
auf Peregrines Vorbehalte gegenüber ihrer Schatzsuche. Er muss also versucht
haben, sie davon abzubringen. Und deswegen denke ich mir, dass er heute ebenfalls
versucht hat, sie aufzuhalten. Ich kam hierher, weil ich eigentlich gehofft
hatte, ihm wäre dies gelungen und er hätte sie nach Hause gebracht.«
»Allein
würde er das niemals geschafft haben«, sagte sie. »Hätte er mich um Rat
gefragt, würde ich ihm tunlichst ans Herz gelegt haben, einen Gendarmen
mitzunehmen. Oder gleich eine ganze Armee.«
Jede andere
Mutter hätte unter den gegebenen Umständen Ohnmachtsanfälle bekommen oder wäre
hysterisch geworden, dachte Benedict. Nicht so Mrs. Wingate. Sie schien nicht
einmal besorgt oder beängstigt. Wütend und mit ihrer Geduld am Ende war sie
sehr wohl.
»Da ich
kein dreizehnjähriger Junge mehr bin, werde ich wohl nicht ein ganzes Regiment
benötigen«, meinte Benedict. »Nicht im Traum fiele es mir ein, die
Behörden in Kenntnis zu setzen. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist, dass
jemand von dieser Sache erfährt.« Würde die Geschichte erst mal in seinen
Kreisen die Runde machen, wüsste in wenigen Stunden ganz London davon. Binnen
Tagen wären die Neuigkeiten auch zu Atherton nach Schottland gelangt. Keine
sehr reizvolle Aussicht.
»Der Lakai
Thomas sollte für meine Zwecke genügen«, fuhr er fort. »Und ganz ehrlich:
So schwer kann es ja wohl nicht sein, zwei ausgebüchste Kinder
einzufangen.« Er steuerte auf die Tür zu.
Geschwind
trat sie ihm in den Weg. Ihre blauen Augen blitzten so sehr, dass er beinah
einen Schritt zurückgesprungen wäre – natürlich nur, weil er so verdutzt war.
»Sie machen sich Sorgen«, stellte sie fest. »Weshalb ich Ihnen diese
Begriffsstutzigkeit nachsehen werde.«
»Sie wollen
mir was nachsehen?«
»Das war
Olivias Plan«, sagte sie. »Und Olivia ist mein Problem. Ich weiß, wie sie
denkt. Ich weiß auch, wohin sie will. Also
werde ich es sein, die nach ihr sucht.« Ihre Wangen erröteten und
erbleichten in raschem Wechsel. »Aber Sie könnten mir wertvolle Zeit ersparen,
wenn Sie mir Geld liehen, damit ich mir ein Gespann mieten kann.«
Sprachlos
sah er sie an. Fast wäre ihm die Kinnlade heruntergekippt. Gerade noch
rechtzeitig fasste er sich.
»Sie müssen
von Sinnen sein, wenn Sie glauben, ich würde unverrichteter Dinge zu Hause
Däumchen drehen, derweil Sie Jagd auf meinen Neffen machen«, beschied er.
»Ich bin für ihn verantwortlich, nicht Sie.«
»Und Sie
scheinen Ihren Verstandes verloren zu haben, wenn Sie glauben, ich würde
derweil tatenlos zu Hause sitzen«, erwiderte sie.
»Einer von
uns beiden muss fahren«, stellte er klar. »Und einer muss hierbleiben.
Zusammen können wir nicht reisen.«
»Natürlich
nicht«, sagte sie. »Aber Sie sind zu aufgewühlt, als dass Sie noch klar
denken könnten.«
»Aufgewühlt?«,
wiederholte er ungläubig. »Ich bin nie aufgewühlt.«
»Dann
wenden Sie doch mal Ihren Verstand an«, riet sie. »Sie wollen doch auch,
dass diese Sache nicht publik wird, oder?«
»Natürlich
will ich ...«
»Ich würde
weitaus weniger Aufmerksamkeit erregen als Sie«, fiel sie ihm ungeduldig
ins Wort. »Wenn Sie sich nach zwei Kindern erkundigen, wird das für Gerede
sorgen. Alles an Ihnen schreit einem doch geradezu ins Gesicht, wer und was Sie
sind. Sie werden gelangweilt tun und sarkastisch klingen und sich in dieser
anmaßenden Weise gebärden und stets voraussetzen, dass alles nach Ihrem Willen
geht. Jedem, wirklich jedem, wird sonnenklar sein, wer Sie sind. Ebenso gut
könnten Sie sich ein Schild um den Hals hängen, auf dem Ihr Titel und Ihre
Ahnentafel stehen.«
»Ich kann
sehr wohl diskret sein«, sagte er.
»Sie können
aber nicht gewöhnlich sein«, entgegnete sie.
Als ob sie
gewöhnlich sein könnte, dachte Benedict. Nicht mit diesem Gesicht und diesem
Körper. Überall würde man sich nach ihr umdrehen. Männer würden ihr
hinterherrennen – hechelnd, mit heraushängender Zunge.
Er ballte
die Hände. Wenn er sie sich nur vorstellte, wie sie nach Einbruch der
Dunkelheit aufbrach, wie sie ganz allein reiste, in einem gemieteten Gespann,
ohne Begleitung, nicht einmal mit einer Magd, die mit ihr fuhr ...
Unvorstellbar.
»Sie können
nicht allein fahren«, beschied er in jenem unterkühlten Ton, der gemeinhin
zu verstehen gab, dass die Diskussion hiermit beendet war.
»Ich bin
seit drei Jahren allein unterwegs«, hielt sie dagegen.
War das
denn zu
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