Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
Figur.« Er musterte prüfend ihre Gestalt mit einem Blick ohne jedes erotisches Interesse. »Euer Tonfall ist nicht ganz so tief wie der ihre. Sie raucht diese schrecklichen Zigarren, die ihrer Stimme eine rauchige Note verleihen, welche die meisten anderen Frauen nicht haben. Aber Ihr habt einen ähnlichen Akzent.«
»Na großartig!«, stieß sie gereizt hervor. »Solange mir niemand ins Gesicht blickt, bin ich also ihre Doppelgängerin. Was ist mit den Menschen, die mich bereits gesehen haben? Glaubt Ihr nicht, dass ihnen diese Unvereinbarkeit auffallen würde?«
Er ignorierte ihren Einwand, als hätte sie ihn gar nicht vorgebracht. »Das Haar der Lady ist glatt und schwarz, und sie trägt Spitzenschleier. Ich habe bereits schwarze Perücken und Schleier für Euch anfertigen lassen, damit Ihr Eure Locken verbergen könnt.« Er nahm eine Strähne Ihres Haares und rieb sie sanft zwischen den Fingern wie ein Seidenhändler, der die Qualität seiner Ware prüft.
Sie stieß seine Hand weg. »Dieser Plan ist einfach lächerlich.«
Er achtete überhaupt nicht auf sie. »Ihr müsst Eure Stimme etwas verändern. Ich weiß bereits, dass Ihr das vermögt. Ich habe gehört, dass Ihr einen schottischen Akzent annehmen könnt, wenn Ihr es für nützlich haltet.«
Sie biss sich auf die Lippen.
»Ich habe eine Miniatur von ihr, und ich möchte, dass Ihr Euer Gesicht dem ihren so ähnlich schminkt, wie Ihr es mit Euren Hilfsmitteln nur könnt.«
»Es wird nicht funktionieren.« Sie hätte sich den Atem sparen können.
»Ihr werdet nur von weitem gesehen werden. Ihr tragt Ihre Kleidung und Frisur und gebärdet Euch mit vollendeter Verachtung, wie eine Frau, die gedemütigt wurde.«
Etwas in seinem Tonfall ließ Clarice innehalten. »Ist sie eine entehrte Frau?«
»Sie wurde benutzt, entehrt und verlassen.«
»Von wem? Etwa von Euch?«
»Ihr habt wahrlich die spitze Zunge einer Xanthippe.«
Es interessierte sie nicht, wie er sie beschimpfte. Sie musste an Beaumontagne denken, an ihre Stellung… und an ihre Schwester. An Amy, die allein in Freya Crags war und als Näherin arbeitete, während Clarice die Ladys unterhielt und dabei im Luxus schwelgte.
Aber sie konnte es sich nicht verkneifen nachzufragen. »Wart Ihr es, der diese Lady benutzt hat?«
Mit seinen hohen Wangenknochen und dem kräftigen Kinn wirkte er wie eine Kreatur, die des Nachts auf die Jagd ging und mit Dunkelheit, Gewalt und Verzweiflung vertraut war. »Nein, ich war es nicht.«
Clarice war erleichtert, dass es nicht dieser Mann war, der sie offenbar so leicht von seiner Integrität überzeugen konnte. »Wer war es dann?«
»Einige Dinge müsst Ihr nicht wissen.«
»Dinge, die ich Eurer Meinung nach nicht zu wissen brauche.«
»Ganz recht.« Es war fast unheimlich, wie er sich bewegte. Langsam, zielstrebig und beinahe lautlos. Clarice war froh, dass er nicht sie jagte.
Denn er war auf der Jagd. Sie zweifelte keine Sekunde daran. »Also sucht Ihr Vergeltung für die Lady?«
»Für sie? Nein. Obwohl ich ihren Segen habe. Nein, ich suche Vergeltung für die Lügen, die man mir erzählt hat.
Lügen, die dazu führten, dass ich mich ehrlos verhalten habe.«
»Ihr wollt diese komplizierte Scharade durchführen, weil Euch jemand belogen hat?« Clarice konnte es kaum glauben. »Ihr müsst ein sehr kompliziertes Leben führen, Mylord, wenn einfache Unwahrheit Euch dermaßen schockiert, dass Ihr zu einem so hohen Preis Vergeltung sucht.« Und sie hatte höchst schwierige Zeiten vor sich, wenn es ihr nicht gelang, ihn von diesem Kreuzzug abzubringen.
»Manchmal wiegt eine Unwahrheit mehr als eine Lüge. Manchmal geht es dabei um ein gebrochenes Versprechen und um Ehrlosigkeit.«
»Ihr redet in Rätseln. Und ich verspreche Euch, dass Ihr damit bei mir nicht weiterkommt!«
Sie sprachen offensichtlich aneinander vorbei, und Clarice ahnte, dass er das absichtlich tat. »Seid Ihr eine Schauspielerin, Eure Hoheit?«
»Wie bitte?«, Schauspielerinnen waren leichtlebige Kurtisanen, deshalb gefiel ihr diese Frage überhaupt nicht.
»Ich bitte um Verzeihung. Ich wollte Eure Moral keineswegs in Frage stellen. Meine Frage zielte einfach darauf ab, ob Ihr eine Rolle spielen könnt.« Er musterte sie nachdenklich aus halb geschlossenen Augen. »Könnt Ihr auf die Verkörperung von Grausamkeit und Verruchtheit schauen und so tun, als würdet Ihr einen Helden sehen? Könnt Ihr Liebenswürdigkeit vortäuschen, wenn jede Faser Eures Körpers sich danach sehnt, das
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