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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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furchtbare Protektor auch unserm Ländchen auferlegte. Unser Cabinetschef, des Staatsministers von Voigt Excellenz, zum Exempel, hielt immer dafür, bald werde gewiß Napoléon den letzten Gegner zu Boden gestreckt haben, und dann könne ein geeintes Europa unter seinem Szepter des Friedens genießen. Das habe ich mehr als einmal in Gesellschaft aus seinem Munde gehört und weiß auch noch gut, wie sehr er gegen das Jahr 13 hin die Auftritte in Preußen mißbilligte, das man partout in ein Spanien verwandeln wolle, invito rege. ›Der gute König!‹ rief er. ›Wie ist er zu bedauern, und wie wird das für ihn ablaufen, so unschuldig er auch daran ist! Wir anderen werden all unsere Klugheit und Behutsamkeit nötig haben, uns ruhig, unparteiisch und dem Kaiser Napoléon treu zu verhalten, wenn wir nicht ebenfalls untergehen wollen.‹ – So dieser kluge und gewissenhafte Staatsmann, der uns noch heute regiert. Und Durchlaucht der Herzog selbst? Noch nach Moskau, als der Kaiser so rasch wieder neue Heere aufgestellt hatte und unser Fürst ihn von hier ein Stück Wegs gegen die Elbe begleitete, wohin er ritt, um die Preußen und Russen zu schlagen, die gegen all unser Erwarten sich gegen ihn verbündet hatten, da wir ganz kürzlich noch nicht anders gedacht hatten, als daß der preußische König wieder mit Napoléon gegen die Barbaren marschieren werde: – noch von jenem Ritt kehrte Carl August in völliger Begeisterung nach Hause zurück, ganz hingerissen von ›diesem wahrhaft außergewöhnlichem Wesen‹, wie er sich ausdrückte, das ihm wie ein von Gott Erfüllter, ein Mohammed vorgekommen sei.
    Aber nach Lützen kam Leipzig, und es war aus mit der Gott {169} erfülltheit: Anstelle der Begeisterung für den Heros trat eine andere, die nämlich für Freiheit und Vaterland, Passows Begeisterung; und wunderlich ist es schon zu erfahren, das muß ich sagen, wie rasch und leicht sich die Menschen belehren und umstimmen lassen durch äußere Ereignisse und durch eines Mannes Unglück, an den sie geglaubt. Aber noch seltsamer und bemühender für die Gedanken ist es, zu sehen, wie ein großer und überragender Mann ins Unrecht gesetzt wird durch die Ereignisse gegen viel Kleinere und Bescheidenere, die es gleichwohl, wie sich herausstellt, besser wußten, als er. Da hatte der Goethe nun immer gesagt: ›Ihr Guten, schüttelt nur an euren Ketten; der Mann ist euch zu groß!‹ Und siehe da: die Ketten fielen, der Herzog zog russische Uniform an, wir trieben Napoléon über den Rhein, und die, die der Meister mitleidig ›Ihr Guten‹ genannt hatte, die Luden und Passow, die standen groß da gegen ihn als Rechtbehaltende und als Sieger. Denn 13, das war doch der Triumph Ludens über Goethe, – man kann es nicht anders sagen. Und er räumt' es auch ein, beschämt und reuig, und schrieb für Berlin sein Festspiel ›Epimenides‹, worin er dichtete: ›Doch schäm' ich mich der Ruhestunden – mit euch zu leiden war Gewinn – denn für den Schmerz, den ihr empfunden – seid ihr auch größer als ich bin.‹ Und dichtete: ›Doch was dem Abgrund kühn entstiegen – kann durch ein ehernes Geschick – den halben Erdkreis übersiegen – zum Abgrund muß es doch zurück.‹ – Ja, sehen Sie, da schickte er seinen Kaiser, den Weltenordner, seinen Peer, nun in den Abgrund, – wenigstens im Festspiel; denn übrigens und im Stillen sagt er, glaub ich, noch immer ›Ihr Guten‹.
    August nun, sein Sohn, der Liebhaber Ottiliens, tat es nach seiner politischen Gesinnung völlig dem Vater gleich; er war darin nichts weiter als seine Wiederholung. Ganz war er ein Mann des Rheinbunds, worin er das Deutschland vereinigt sah, das mitzählte für die Kultur, und zeigte sich voller Verachtung {170} für die Barbaren des Nordens und Ostens, was ihm weniger gut zu Gesichte stand, als Goethen, dem Aelteren; denn er selbst hatte in seinem Wesen einen Zug des Barbarischen, will sagen des Ausschreitenden, ja des Rohen, vermischt mit einer Traurigkeit, die auch nicht edel anmutete, sondern nur trübe. Anno 11 setzte der Kaiser einen Gesandten zu uns nach Weimar, den Baron von Saint Aignan, einen charmanten und humanistischen Edelmann, das muß man sagen, und einen großen Verehrer Goethes, der denn auch bald auf dem freundschaftlichsten Fuße mit ihm verkehrte. August seinerseits hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich den Sekretär des Barons, Herrn von Wolbock, zum Freunde zu nehmen, was ich erstens erwähne, um Sie sehen zu

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