Lotterie der Liebe
vergeben, weil der Earl nicht gekommen war. Ursprünglich hatte sie ihm einen Tanz aufheben wollen, war jetzt jedoch froh, dass sie das nicht getan hatte.
Als er ihr schließlich einen Handkuss gab, merkte sie sofort, dass er schlecht gelaunt war. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Er sah aus, als sei er soeben aus dem Bett gekommen. Plötzlich erkannte sie, dass die Vermutung zutraf. Mehr noch, sie begriff, dass er nicht allein im Bett gewesen war. Vor Verlegenheit lief sie rot an, entzog ihm jäh ihre Hand und murmelte etwas Unzusammenhängendes.
“Möchten Sie tanzen, Miss Bainbridge?”, fragte er. Auf Amy wirkte der Ton der Frage so, als öde ihn allein schon der Gedanke an. Sie lächelte verkrampft.
“Danke, Mylord, aber ich befürchte, ich habe bereits alle Tänze vergeben”, antwortete sie. “Der nächste gehört Lord Holles. Entschuldigen Sie mich bitte.”
Jonathan verneigte sich. Seine Miene war ausdruckslos. “Dann ein andermal, Miss Bainbridge”, sagte er kühl.
“Vielleicht”, erwiderte sie und reckte das Kinn.
Kurze Zeit später sah sie ihn und Richard zum Spielsalon gehen. Das schien die Dinge nur noch schlimmer zu machen. Es war ganz so, als wolle der Earl absichtlich alles tun, um sie zu verärgern. Erst kam er viel zu spät, dann benahm er sich überheblich, und nun strebte er auch noch zu den Spieltischen. Während Lord Holles sie über die Tanzfläche führte, sagte sie sich, sie solle nicht dumm sein. Sie habe nicht das Recht, Tallants Benehmen zu kritisieren. Aber diese Erkenntnis verschlechterte noch ihre Laune. Sie begriff nicht, warum sie so verärgert war. Sie hatte doch die ganze Zeit gewusst, was für ein Mensch er war. Wenn er gleich nach einem mit ihr verbrachten Nachmittag seine Geliebte aufsuchte, ging das nur ihn etwas an. Sie war nicht an seinen raffinierten Spielchen interessiert. Schließlich hatte sie keinen romantischen Anspruch auf ihn.
Dennoch empfand sie einen Druck auf der Brust, und Tränen brannten ihr in den Augen. Von Anfang an hatte sie gewusst, dass diese Form der Einlösung der Spielschuld ein abstruser Einfall war, und sie befand, es sei besser, die Sache sofort zu beenden, ehe sie richtig begann.
Der Tanz war zu Ende. Amy ließ sich von Lord Holles zu ihrer Mutter zurückbringen. Der arme Mann hatte sein Möglichstes getan, um nett zu wirken. Sie wurde sich bewusst, dass sie kein einziges Wort seiner Äußerungen richtig wahrgenommen hatte. Sie konnte nur daran denken, bei der nächsten Gelegenheit mit dem Earl of Tallant reden zu müssen und ihm zu sagen, dass alle bis zum Ablauf der Woche gemachten Pläne nicht ausgeführt würden. Auf diese Weise musste sie ihn nicht wiedersehen.
“Ich langweile mich. Ich glaube, ich gehe.”
Der Duke of Fleet lächelte. “Zu White’s? Oder willst du nach Covent Garden?”
Jonathan war unschlüssig. Einerseits wollte er weiterhin am Ball teilnehmen, einfach nur, um in Amys Nähe zu sein, andererseits irritierte es ihn ungemein, sie mit anderen Männern tanzen zu sehen.
Der Duke of Fleet berührte ihn am Arm und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die junge Dame, die die Ursache seines Verdrusses war. Sie stand an der anderen Seite des Raums und redete mit Lady Juliana.
“Ich wusste nicht, dass deine Schwester zu Miss Bainbridges Freundinnen gehört.”
Jonathan drehte sich um. Juliana plauderte, wie es schien, freundlich mit Amy, wenngleich ihr besitzergreifender Blick auf Mr. Massingham ruhte. Jonathan furchte die Stirn. Juliana ging doch nicht davon aus, dass Amy eine Rivalin um Mr. Massinghams Gunst war? Der Gedanke kam ihm absurd vor. Dennoch empfand er leichtes Unbehagen. Er ging auf die kleine Gruppe zu.
“Ich hatte keine Ahnung, Miss Bainbridge, dass Sie insgeheim spielen, noch dazu so erfolgreich!”, hörte er Juliana sagen. “Erst nehmen Sie mir über zweihundert Guineen ab, und nun ist mir zu Ohren gekommen, dass Ihr geheimnisvolles Vermögen ein Lotteriegewinn ist. Wir sollten Sie die Lotterieerbin nennen.”
“Vielen Dank, Lady Juliana, aber auf diesen Beinamen kann ich gut verzichten.”
Amys Blick traf Jonathans. Jonathan sah, dass sie gekränkt war, ehe sie sich verächtlich abwandte. Er wurde wütend. Hart ergriff er seine Schwester am Arm und zog sie brüsk in einen stillen Winkel.
“Das war ungehörig, Juliana. Manchmal schockierst du mit deinen Boshaftigkeiten selbst mich, meine Liebe.”
Die höchst interessante Neuigkeit von Amys Lotteriegewinn verbreitete sich bereits von der
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