Lotterie der Liebe
kleinen Gruppe aus, und als man sie weitererzählte, ging aufgeregtes Raunen durch den Ballsaal.
Juliana verzog das Gesicht und schüttelte die Hand des Bruders ab. “Was geht dich das an, Jonathan? Ich habe Klatsch gehört und wollte Miss Bainbridge ein bisschen ärgern. Das war alles.”
“Du wolltest ihrem Ruf schaden. Du musst doch wissen, dass Lady Bainbridge verbreitet hat, es handle sich um ein geerbtes Vermögen.”
Juliana zuckte mit den Achseln. “Ich verabscheue Unehrlichkeit. Du nicht auch, Jonathan? Wenn die kleine Miss Bainbridge möchte, dass man ihr ihres Geldes wegen den Hof macht, ist das gut und schön, aber zumindest sollte sie kein Geheimnis daraus machen, woher sie das Vermögen hat.”
Plötzlich schaute Juliana den Bruder prüfend an und lächelte dann. “Du meine Güte! Du siehst wirklich wütend aus, mein Lieber. Kann es sein, dass du ein Faible für die naive kleine Miss Bainbridge hast? Wie pikant! Das wäre eine noch viel aufregendere Neuigkeit als der Lotteriegewinn!”
Jonathan verengte die Augen. Er war schockiert darüber, wie zornig er auf die Schwester war. Und in seine Verärgerung mischte sich der erstaunliche Wunsch, Amy vor Julianas Boshaftigkeiten zu schützen.
“Du wirst diesen Klatsch nicht in die Welt setzen, Juliana!”
“Nein?” Sie zog eine Augenbraue hoch. “Wieso nicht?”
“Auch du hast keinen makellosen Ruf. Ich möchte nicht, dass du dir selbst schadest. Geschichten über Miss Bainbridge könnten leicht zu Enthüllungen über dich führen.”
Einen Moment lang starrten Bruder und Schwester sich an. Dann senkte Juliana den Blick, und zwei rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. “Pah! Manchmal bist du grässlich, Jonathan. Du würdest so etwas wirklich tun.”
Er verneigte sich leicht. “Das würde ich. Weißt du, Juliana, die kleine Miss Bainbridge, wie du sie nennst, ist ein wirklich grundehrlicher Mensch, wohingegen wir beide in einer Welt leben, die nur am Rande die ihre ist. Ich schlage vor, dass du sie in Ruhe lässt.”
Juliana lächelte. “Oh, das werde ich, Bruderherz, so lange, wie du das auch tust. Du könntest ihrem Ruf weitaus mehr schaden als ich.”
Jonathan wusste, dass Juliana recht hatte. Er wusste auch, dass er es sich nicht leisten konnte, ihr in die Hände zu spielen.
“Und genau das ist der Grund, warum ich mich Miss Bainbridge fern halten werde”, erwiderte er kühl. “Deine Mutmaßungen, Juliana, entbehren jeglicher Grundlage.”
10. KAPITEL
N achdem die Neuigkeit vom Lotteriegewinn ihrer Tochter bekannt geworden war, hatte Lady Bainbridge, die einem Anfall nahe gewesen war, den Ball sofort verlassen wollen. Amy weigerte sich jedoch, in Schimpf und Schande zu gehen. Es war nicht so, dass sie glaubte, sich an diesem Abend noch weiter amüsieren zu können. Im Gegenteil, der Ball war von Anfang an eine Enttäuschung gewesen, und die Tatsache, dass alle Gäste über sie klatschten, bestätigte nur ihre schlechte Meinung über die Gesellschaft. Sie hatte jedoch eine Aufgabe zu erledigen, und ihre Verärgerung würde es ihr möglich machen, den Vorsatz auszuführen. Am nächsten Tag war es dafür zu spät. Sie wollte den Earl of Tallant zur Rede stellen.
Er musste es gewesen sein, der Lady Juliana von dem Lotteriegewinn erzählt hatte, und deshalb war sie zornig auf ihn. Sie konnte ihn jedoch nirgendwo sehen und nahm an, er sei bereits gegangen. Von Minute zu Minute wuchs ihre Wut. Plötzlich sah sie ihn durch die Terrassentür kommen. Sie strebte durch den Ballsaal und fing ihn ab, ehe er in der Menge der Gäste verschwinden konnte. Sie blockierte ihm den Weg.
“Lord Tallant.”
“Miss Bainbridge?”
“Ich muss mit Ihnen reden, Mylord, und zwar sofort.”
“Bitte.”
“Nicht hier”, erwiderte sie und schaute sich um. Die Schar der Anwesenden begann sich zu verringern, weil es bereits sehr spät war. Es waren jedoch noch genügend Besucher da, von denen etliche zu ihr herüberschauten.
“Wir können nicht ins Freie gehen, ohne noch mehr Gerede zu erzeugen”, sagte Jonathan. “Wenn Sie jetzt mit mir sprechen wollen, Miss Bainbridge, müssen Sie es hier tun.”
Wütend sah sie ihn an. “Es überrascht mich, dass Sie solche Bedenken haben, Mylord. Vielleicht hätten Sie daran denken sollen, ehe Sie Ihrer Schwester erzählten, woher mein Vermögen stammt. Ich hatte Sie gebeten, das für sich zu behalten, und habe mich auf Sie verlassen.”
Jonathan verengte die Augen. “Soll das heißen, Sie glauben,
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