Lotterie der Liebe
mich.”
“Ich glaube, wir werden den Klatsch einfach ignorieren müssen, Mama”, äußerte Amy. “Wenn wir so tun, als sei nichts geschehen …”
Lady Bainbridge machte ein entsetztes Gesicht. “Oh, nicht daran zu denken! Ich kann jetzt nicht mehr in irgendeinen Ballsaal gehen. Nein, Amy, ich halte es für das Beste, wenn wir die Stadt sofort verlassen. Wenn wir uns eine Weile nach Nettlecombe zurückziehen, dann legt sich der Skandal vielleicht, und wir können zur nächsten Saison zurückkommen. Natürlich bist du dann älter, und es gibt Leute, die bereits denken, du stündest mit einem Fuß im Grab. Aber das lässt sich nicht ändern. Nein, ich bin entschlossen! Wir reisen am Ende der Woche aufs Land.”
“Ich könnte es nicht ertragen, Mama, wenn wir einfach fortrennen. So wichtig ist der Klatsch doch nicht.”
Lady Bainbridge sah wütend aus. “Natürlich ist er wichtig. Und wir fahren.”
Amy seufzte. “Ich habe so viele Pläne, Mama, die ich nicht fallen lassen will. Amanda und ich wollten zu den Siegesfeiern in den St. James’s Park gehen.”
Lady Bainbridge erschauerte. “Bleib hier, Amy, wenn du willst, dass alle unsere Bekannten dich schneiden. Ich werde so schnell wie möglich nach Nettlecombe reisen.”
“Also gut, Mama. Wenn du das möchtest, gehen wir aufs Land.”
Tränen standen in Lady Bainbridges blauen Augen. “Danke, mein Schatz. Ich gebe zu, dass mich das beruhigt.” Sie senkte ein wenig den Blick. “Es gibt jedoch noch etwas, das ich mit dir besprechen will. Da ist dieser ungeeignete junge Mann, der Bruder der mir verhassten Lady Juliana. Es gibt Gerüchte, Amy …”
Abrupt stand Amy auf. Sie wollte nicht über Seine Lordschaft reden.
“Ich nehme an, du meinst Lord Tallant. Du hast nichts dagegen, dass er Richards Freund ist …”
“Oh nein, denn er ist reich, und wenn Richard ihm beim Spiel Geld abnehmen kann … Aber bei dir, mein Schatz, ist das etwas ganz anderes, obwohl ich finde, dass dieser Mann unglaublich gut aussieht.”
“Du musst dir keine Sorgen machen, Mama. Da wir die Stadt bald verlassen, werde ich keine Gelegenheit mehr haben, ihn zu sehen.” Amy ging zur Tür.
“Nein.” Lady Bainbridge strahlte. “Dann ist ja alles in Ordnung.”
“Ich werde heute Vormittag Mrs. Wendover besuchen”, erklärte Amy. “Ich möchte Essen, Kleidung und Schulbücher für die Kinder hinbringen.”
“Das ist nett von dir, mein Schatz”, sagte Lady Bainbridge. “Du lässt dich aber besser von Prudence begleiten. Oh, und du solltest dir eine Droschke nehmen. Die Kutsche ist für die Fahrt nach Whitechapel zu schade. Sie ist noch so neu. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie beschädigt würde.”
“Sie ruinieren meinen Ruf sehr schnell, Miss Bainbridge”, sagte Jonathan resigniert, als sie sich aus dem Phaeton lehnte und ihm einen Stoß Decken, einen Korb mit Essen und einen mit Medikamenten reichte. “Gestern haben wir den Waisenkindern von St. Bonifatius Schulbücher gebracht, und heute sind wir in Windsor. Was kommt als Nächstes?”
“Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mylord.” Sie übergab ihm den Rest der Mitbringsel. “Ich bin überzeugt, dass Mrs. Benfleet sehr dankbar sein wird. Wir dürfen jedoch nicht lange bleiben. Ich habe Mama nicht gesagt, was ich vorhabe, und muss in Bälde zurück sein, denn sonst ist sie vor Sorge um mich ganz aus dem Häuschen.”
Amy sah den Blick des Earl of Tallant auf sich gerichtet und zwang sich, nicht zu erröten. Es gab mehrere praktische Gründe, warum sie der Mutter nichts von der Fahrt zu Mrs. Benfleet erzählt hatte. Erstens war es eindeutig unschicklich, mit Seiner Lordschaft nach Windsor zu fahren, auch wenn man von einem Bediensteten begleitet wurde. Zweitens hatte die Mutter sie davor gewarnt, den Earl noch einmal zu treffen. Sie wusste, nach dem Wochenende würde sie ihn ohnehin nicht mehr sehen, denn die Abreise nach Nettlecombe war für den nächsten Tag angesetzt. Selbstsüchtig versuchte sie daher, das Beste aus der ihr noch mit Lord Tallant verbleibenden Zeit zu machen, damit sie sich in Zukunft an seine angenehme Gesellschaft erinnern konnte.
Er half ihr aus der Karriole und zog sogleich seine Hand fort. Bewusst vermied sie es, ihn anzusehen. Ihre Verlegenheit war zum größten Teil geschwunden, denn er behandelte sie genauso wie vor dem fatalen Abend bei Lady Carteret. Er war charmant, aber irgendwie distanziert.
Zuerst war sie über sein Verhalten erleichtert gewesen. Doch dann,
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