Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
und drohend, so daß sie keinen Sonnenstrahl mehr durchließen. Aber Judith fühlte sich zu unglücklich, um sich darum zu kümmern.
Gleich darauf kam Angelique zu ihr und berührte sie leise am Arm. Judith sah, daß die Dienerin Maisbrot und kaltes Fleisch auf den Tisch gestellt hatte, aber sie schüttelte den Kopf. Sie beobachtete die Bäume, die sich in dem aufspringenden Wind neigten, und dachte an ihren elenden Zustand. Angelique setzte sich auf eine Kiste in einer Ecke und aß zu Abend.
Plötzlich fühlte Judith einen stechenden Schmerz in der Körpermitte. Sie zuckte zusammen, stand auf und hielt den Atem an.
Angelique sah es und sprang auf.
»Qu'est-ce que c'est, Madame?«
»Ich – ich weiß es nicht«, erwiderte Judith verstört, denn der Schmerz war ebenso schnell geschwunden, wie er gekommen war.
Angelique ging in die Ecke zurück und aß weiter. Auch Judith setzte sich wieder, aber bevor sie Zeit hatte, sich zu erholen, packte sie der Schmerz aufs neue. Sie tastete nach der Lehne des Stuhles hinter sich und rief: »Angelique!«
Die Dienerin eilte zu ihr. Judith war bleich von Bestürzung. Nachdem der Schmerz vorüber war, fühlte sie sich wieder wohl. Angelique trat näher und suchte sie zu beruhigen. Judith begriff den Sinn der Worte nicht, aber sie lächelte, um damit zu zeigen, daß ihr der freundliche Ton wohltat. Angelique legte den Arm um sie, und als der Schmerz wiederkehrte, faßte Judith die Hände der anderen und hielt sie fest, bis der Anfall vorüber war.
Angelique setzte nun das Essen beiseite und entfaltete eine rege Tätigkeit. Sie holte alle möglichen Dinge aus den Kisten und hängte den großen Wasserkessel an einem Haken über das Feuer. Dann rief sie Josh und gab ihm den Auftrag, mehr Feuerholz hereinzubringen.
Judith blieb am Fenster sitzen. Die Schmerzen waren so sonderbar. Sie hatte das Gefühl, als ob zwei Hände sie packten und versuchten, sie in der Mitte auseinanderzureißen. Aber zwischen den einzelnen Anfällen traten lange Pausen ein, in denen sie nichts fühlte. Sie wünschte, Philip käme zurück. Sie hätte ihm dann sagen können, daß sie glaubte, ihr Kind würde jetzt geboren. Sie hätte ihm gern vorher noch erklärt, wie leid es ihr tat, daß sie ihn wegen seiner Vergeßlichkeit so bitter ausgescholten hatte. Ja, sie sah es ein, es mußte sehr schwer sein, mit ihr zusammenzuleben. Sie bemühte sich immer, den Mund zu halten, aber wenn die böse Stimmung über sie kam, konnte sie wirklich sehr verletzende und niederträchtige Worte gebrauchen.
Wieder packten sie die Wehen. Sie klammerte sich mit beiden Händen an das Fensterbrett. Josh kam herein und häufte Holz neben dem Herde auf. Als er wieder gegangen war, dachte sie, es wäre das beste, sich zu Bett zu legen. Wenn Frauen Kinder bekamen, lagen sie immer im Bett. Soviel wußte sie jedenfalls. Sie sagte Angelique, daß sie ihr ein Nachtgewand bringen sollte. Die Dienerin kleidete sie aus, aber als Judith sich niederlegen wollte, hielt Angelique sie zurück.
»Nein, nein«, sagte sie. »Nein. Gehen.«
Das war sonderbar. Aber Judith ging gehorsam in dem Raum auf und ab. Angelique war behutsam und mitfühlend; immer wieder sagte sie leise auf französisch irgendwelche Worte, die tröstlich klangen, obwohl man sie nicht verstehen konnte.
Judith dachte sich, daß es eigentlich gar nicht so schrecklich wäre, ein Kind zu bekommen. Die Schmerzen waren zwar schlimm, aber doch auszuhalten.
Aber es wurde dunkel, Philip kam nicht zurück, und die Schmerzen wurden schlimmer und schlimmer. Die Wehen folgten jetzt so dicht aufeinander, daß Judith zwischendurch kaum Atem holen konnte, und während eines solchen Anfalls bekam sie überhaupt keine Luft. Sie klammerte sich an Angelique, und gequälte Laute entrangen sich ihrer Kehle. Die Dienerin war zart und liebevoll, aber Judith sehnte sich nach Philip. Er hätte jetzt zurückkommen müssen. Auf ihn konnte sie sich stützen, so fest sie wollte. Angelique war doch nicht so stark und taumelte manchmal unter Judiths Griff. Außerdem mußte man doch heftige Schmerzen ausstehen, wenn man ein Kind bekam, und Philip sollte eigentlich hier sein, um zu sehen, was sie durchzumachen hatte. Dann würde er ihr vielleicht verzeihen, daß sie heute so schlechter Laune gewesen war.
»An Bettpfosten festhalten, junge Miß«, sagte Angelique. »Der Feuer ausgehen, müssen Holz auflegen.«
Judith hielt sich an dem Pfosten, während Angelique sich um das Feuer kümmerte. Die Wehen
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