Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Tür in den Nebenraum, wo er seine Kontobücher und Akten aufzuheben pflegte. Er saß hinter einem Tisch; die Witwe Laura Dawson lag halb über den Tisch gebreitet und zeigte ihm einige Papiere; ihr Witwenschleier war weit zurückgeschlagen, sie stützte sich auf ihre Ellbogen.
Corrie May wandte sich ab und ging leise hinaus. Sie wollte nach Hause fahren, um nachzudenken.
Dieses Weib, dachte sie wild. Sie warf sich in ihrem Zimmer aufs Bett. Was Laura Dawson auch immer tat – irgendeine Teufelei war stets dabei. Corrie May hatte keine Ahnung, was Laura jetzt im Schilde führte. Jene Papiere –! Ob Laura lesen konnte, das wußte Corrie May nicht; aber Gilday verstand zu lesen –!
Gilday kam an diesem Abend nicht heim. Corrie May saß allein im Dunkeln. Das ganze Geschäft war genau zu überlegen. Laura mochte ›tüchtig‹ sein, aber auch Gilday war tüchtig – da steckte irgendein Rätsel. Gilday besaß weder Gewissen noch Herz; er nahm sich, was er haben wollte; Corrie May zwang sich zu größter Ehrlichkeit: nein, daß es ihm Spaß machen konnte, Laura zu erobern, dafür war beim besten Willen kein Grund einzusehen. Laura hatte die Tage der Jugend und Schönheit längst hinter sich; Corrie May aber wußte von sich: ich bin jung und schön.
»Ach, lieber Gott, ich bitte dich!« Corrie May war mitten im Gebet, ohne es eigentlich zu merken – zum ersten Male wieder, seit Budge erschossen worden war. »Ich bitte dich, Vater im Himmel, blas ihr das Lebenslicht aus, damit ich mit Gilday wieder nett und friedlich leben kann. Gott, ich bin schlecht gewesen. Aber wenn du machst, daß er mich gern hat wie früher – ich schwöre es! –, dann werde ich ihn schon dazu kriegen, daß er mich heiratet. Bestrafe mich nicht, wie ich es verdient habe! Ich habe ja noch nie in meinem Leben jemandem etwas Böses angetan. Ich werde ihn schon dazu bekommen, daß er mich heiratet; gib mir nur die Zeit dazu!«
Als Corrie May am nächsten Morgen aufgestanden war, bürstete sie ihr Haar, bis es glänzte, und legte ihr neues Kleid an – aus schwerer Seide, mit lavendelfarbenen Tupfen. Es war ein Sonnabend, und Gilday mochte früh nach Hause kommen.
Aber er ließ sich nicht blicken. Am Sonntagmorgen schmückte sie sich wieder aufs beste. Gilday blieb den ganzen Tag über aus.
Erst am Montagnachmittag tauchte er auf.
Sie lief ihm entgegen; ihre Schleppe rauschte über den Teppich, als er das Wohnzimmer betrat. Sie rief: »Da bist du endlich! Wie geht's, lieber Sam? Hast du schon gegessen, oder soll ich dir etwas anrichten lassen?«
Ohne zu antworten, nahm Gilday sie bei der Schulter und drückte sie in einen Stuhl. Sie saß da dumm und wie erstarrt; war er betrunken? Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich dann verhalten mußte; noch nie hatte er an einem Abend mehr als zwei, drei Gläser Wein oder Whisky getrunken. Gilday saß ihr gegenüber an der anderen Wand des Wohnzimmers und sagte kein Wort. Bedrückt ließ Corrie May ihre Augen über die großen Blumen auf den Tapeten gleiten; wie hübsch hatte sie das Haus für ihn hergerichtet; doch er schien sich nicht viel daraus zu machen.
Schweigen herrschte; langsam glitt die Sonne von einer Rose zur nächsten. Corrie May zermarterte sich den Kopf; sie wollte eine harmlose nette Bemerkung machen; es fiel ihr keine ein. Sie dachte nur immer das eine: Oh, bitte, lieber Gott, bitte, bitte, lieber Gott –!
Schließlich stellte Gilday die Frage: »Hast du auf mich gewartet, Corrie May?«
»Sicher, lieber Sam!« erwiderte sie, so munter sie konnte. »Ich habe ja nichts Besseres zu tun. Kann ich dir was zu trinken oder sonst was besorgen?«
»Ach, sei still!« fiel er ein. »Gib dir nicht immer Mühe, nett zu mir zu sein. Ich bin keinen Schuß Pulver wert.«
Sie versuchte zu lachen. »Natürlich, Sam, bist du keinen Schuß Pulver wert. Das ist mir nichts Neues. Du hast doch nicht etwa einen Moralischen –? Das wär' wirklich was Neues!«
»Ach, mach, daß du 'rauskommst!« sagte Gilday.
Sie erhob sich langsam, um den Raum zu verlassen. Aber dann rief er sie zurück.
»Nein, setz dich wieder. Ich habe dir etwas zu sagen. Und du kannst mir glauben, Corrie May, ich habe es mir nicht so schwierig vorgestellt.«
Sie ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken. »Was meinst du, Sam?«
»Corrie May, ich habe mich am Samstagmorgen verheiratet.«
Sie umklammerte die Armlehnen des Stuhles so hart, daß sie glaubte, der Goldlack müßte sich lösen; schließlich brachte sie
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