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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Tageszeit wäre er gewöhnlich auf dem Gericht zu finden.
    Jerry richtete seine Schritte zu dem Eishaus. Der Verwalter zeigte sich höflich, blieb aber allen Bitten Jerrys unzugänglich. Schmuckstücke wollte er ohnehin nicht in Zahlung nehmen. Man wußte nie, ob sie echt waren oder aus Glas. Eine Dame hätte alles Eis vorbestellt und in gutem, echtem Geld bezahlt – und gutes, echtes Geld, das war es, was man heutzutage nötig hatte.
    Jerry sah sich des Mannes hagere Glieder und hungrige Augen an und konnte ihn nicht einmal tadeln. Schon viele verarmte Leute hatten nach dem Kriege versucht, gläsernen Schmuck als echten zu verkaufen; wer sich auf Juwelen nicht verstand, der vermochte den Unterschied nicht zu erkennen. Die Kaufleute waren es müde, sich betrügen zu lassen.
    Vor dem Gericht band er sein Pferd an einen der dazu bestimmten Pfosten und betrat das Gebäude. Er mußte wohl eine Stunde warten; dann endlich durfte er bei Gilday eintreten. Gilday hinter seinem Schreibtisch lehnte sich zurück, steckte die Daumen in die Seitentaschen seiner Weste und betrachtete den Besucher. »Wie in alten Zeiten, das könnt' ich beschwören! Man sieht all die Sheramys wieder. Einen nach dem anderen. Nun brauchen Sie mir bloß noch zu erzählen, daß Sie etwas von mir wollen –!«
    Jerry raffte sich zusammen, bevor er antwortete. Diese Sorte von Leuten um eine Kleinigkeit bitten zu müssen fiel ihm wesentlicher schwerer, als ihnen die Steuern zu bezahlen. »Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie vielleicht wissen, wo ich Ihre Freundin Miß Upjohn treffen könnte.«
    »Keine Ahnung!« sagte Gilday. »Ich weiß nicht, wo sie herumflaniert; kümmere mich nicht um ihren Ausgang und Eingang. Was soll die Frage überhaupt bedeuten? Heute ist Samstag, und ich bin ein stark beschäftigter Mann.«
    »Meine Schwester würde gern etwas Eis kaufen«, fuhr Jerry verzweifelt fort. Erschöpfung und Hunger machten sich allmählich bei ihm bemerkbar. »Ihre kleine Tochter ist sehr krank; sie muß sich an verdorbener Nahrung vergiftet haben!«
    »Ach, zum Teufel!« erwiderte Gilday. »Ich habe kein Eis zu verkaufen. Sie kommen mir vor, Mr. Sheramy, wie einer dieser blöden Nigger, die hier vor dem Amt für befreite Sklaven herumlungern; sie meinen, wir könnten zaubern und müßten alle ihre verrückten Wünsche befriedigen. Ist dies Haus hier ein Eisladen, und sehe ich aus wie ein Eishändler?«
    »Miß Upjohn hat alles Eis in der Stadt aufgekauft.« Jerry fing nochmals an zu bitten. »Und das Kind meiner Schwester wird wohl sterben, wenn ich kein Eis beschaffe.«
    »Ach, wirklich?« machte Gilday. Er drückte den Stuhl noch weiter zurück, so daß er seine Füße auf den Tisch legen konnte. »Die Kinderchen haben das so an sich«, meinte er in leichtem Gesprächston. »Legen sich manchmal hin und sterben einfach, nicht wahr? Als ich noch klein war, pflegte meine Mutter ewig darüber zu jammern. Sie meinte immer, warum wohl der liebe Gott so viele kleine Kinder in die Welt setzte, wenn er sie doch gleich wieder sterben ließ.« Seine kleinen Augen verengten sich zu einem Schlitz; seine Oberlippe streckte sich und entblößte die Zähne. »Aber ich will mit der Wahrheit nicht hinter dem Berge halten, Mr. Sheramy. Wenn Corrie May alles Eis aufgekauft hat, so wird sie es für irgend etwas Wichtiges brauchen. Und ich denke, es sollte Ihrer Schwester nicht schwerfallen, noch weitere Kinder zu produzieren. Sie soll sich nur an dieselbe Adresse wenden, die ihr das erste verpaßt hat.«
    Jerrys Fäuste ballten sich. Ohne jeden klaren Gedanken langte er über den Tisch und landete seine Faust gegen Gildays Kinn.
    Gildays Stuhl stürzte nach hinten über; aber Gilday sprang blitzschnell wieder auf die Beine und über den Tisch hinweg. Jerry empfing einen Faustschlag gegen die Schläfe, der ihn in die Ecke schmetterte. Seit seinem Skorbut war er längst nicht mehr so kräftig, wie er aussah.
    Ein paar Negerpolizisten stürzten ins Zimmer. »Was ist los, Mr. Gilday?«
    Gilday bürstete sich den Rock ab. »Steckt diesen weißen Esel ins Loch, damit er abkühlt. Er hat einen Beauftragten der Vereinigten Staaten bei der friedlichen Ausübung seiner Pflichten tätlich angegriffen; solche Frechheiten muß man ihm abgewöhnen. Weg mit ihm, und ein bißchen fix!«
III
    J erry ließ auf sich warten. Ein Regenschauer brach aus den Wolken; kaum war er vorübergerauscht, so trat die Sonne wieder durch den Dunst; die Schwüle wurde unerträglich. Ann saß am

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