Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Neugier wie Entrüstung von der Hinrichtung eines Deserteurs namens Budge Foster; aber da sie den Namen nie zuvor vernommen hatte, dachte sie nicht daran, ihn mit der verschwundenen Corrie May zu verknüpfen. Schließlich befestigte sich in ihr die Annahme, daß Corrie May geheiratet oder eine andere, besser entlohnte Stellung gefunden hatte; sie zerbrach sich nicht weiter den Kopf darüber, hielt es aber doch für undankbar, daß das Mädchen einfach weggeblieben war, ohne sich zu verabschieden. Nach wenigen Wochen hatte sie Corrie May mehr oder weniger vergessen.
Ihr Gemüt war mit anderen Fragen beschäftigt. Denis stand in Vicksburg und Oberst Sheramy in Port Hudson, und obgleich die Flußfestungen für uneinnehmbar galten, schlich ihr jedesmal die Furcht ins Herz, wenn sie an ihren Gatten oder ihren Vater dachte. Der erste Überschwang der Kriegsbegeisterung war längst erloschen; blasse Sorge hatte ihn abgelöst. Die feindliche Streitmacht, die New Orleans besetzt hielt, mochte jeden Tag zu einem neuen Sturm flußauf ansetzen; manchen Abend stieg Ann mit der zitternden Angst ins Bett, daß Kanonendonner sie wecken könnte. Aber die Wochen und Monate glitten davon, ohne daß sich Wesentliches veränderte. Überall und fortgesetzt wurde von strahlenden Siegen der Südstaaten berichtet; aber der Krieg schien an den Niederlagen der Yankees nicht ersticken zu wollen; er schleppte sich zähe fort und fort.
Die Zeitungen enthielten nichts weiter als Berichte von Schlachten und Gefechten – und die Listen von Gefallenen. Der Krieg hatte längst aufgehört, ein Born des Ruhms zu sein; für Ann hatte er sich zu einem gräßlichen, Übelkeit bereitenden Alpdruck entwickelt. Die Zeitungen verschwiegen das Grauen zwar; aber es sickerte doch unaufhörlich ins Herz. Bei Shiloh sollte am ersten Tage der Schlacht jedes Bachbett Blut statt Wasser geführt haben; am zweiten Tage blieben die Pferde in den Sümpfen geronnenen Blutes stecken. Bei Corinth sollte auf dem Schlachtfeld irgendwo ein Zaun gestanden haben, über den die Verwundeten gestolpert waren; da hingen sie dann Stunde für Stunde; die Gedärme quollen ihnen aus den zerrissenen Bäuchen, und sie brüllten den ganzen Tag und die Nacht, bis sie endlich den Geist aufgaben. So sah der Krieg in Wahrheit aus. Manchmal hockte Ann für Stunden am Fuße der großen Wendeltreppe und blickte zu dem Porträt von Denis in seiner grauen Uniform empor; sie hatte darauf bestanden, daß er sich malen ließ, bevor er ins Feld zog. Sie schaute es an und krampfte ihre Finger ineinander, bis sie schmerzten. »Herr im Himmel, ich bitte dich, ach lasse die Flußfestungen nicht in die Hände der Feinde fallen!« Doch dieses tausendfach wiederholte Gebet wollte nicht mehr passen, seit die grausigen Gerüchte sie bedrängten; sie betete nur noch: »Erhalt ihn am Leben, Herr Gott! Allmächtiger Gott, laß ihn nicht auf solche Weise sterben!«
Das große Morden quälte sich weiter. Es dauerte schon zwei volle Jahre, ehe Denis seinen ersten Urlaub erhielt. Ann erwartete ihn bebend vor Hoffnung. Er würde ihr das Unerklärliche erklären; und wenn sie es gemeinsam in ihrem Bewußtsein verarbeitet hatten, dann sollte sich ihre Ehe noch viel schöner entfalten als je zuvor.
Als aber Denis endlich nach Hause kam, ein mager gewordener verdüsterter Denis, da merkte sie bald, daß er bereit war, was immer sie wollte, mit ihr zu besprechen, nur nicht den Krieg! Zu ihrem Erstaunen schien Denis nicht zu ahnen, daß viele der grausigen Einzelheiten ihr bekanntgeworden waren. Er meinte offenbar, daß für sie der Krieg ein buntes Gebilde aus Trommelklang, Dixie und Rosen geblieben wäre. Wenn er's tatsächlich nicht glaubte, so tat er doch so, als glaubte er es. Er war in Vicksburg dabeigewesen, und Vicksburg war ein riesiger, glühender Kessel der Hölle voller Blut und Grausen. Er wollte das alles so gründlich wie möglich vergessen, wollte die Augen schließen und nur noch Ardeith rund um sich spüren mit seinen kühlen Hallen und Säulengängen, seinen verträumten Gärten; seine Ann wollte er spüren, ein zartes und zärtliches, wunderbar heiteres Wesen voll unzerstörbarer Anmut, so fern und fremd dem Kriege, als gäbe es ihn gar nicht. Er mochte nicht einen Augenblick allein sein und folgte ihr durch das Haus, wohin sie auch ging; ihr bloßer Anblick schon schien ihn unsagbar zu erfrischen; er ließ seine Hand über ihre Arme und Schultern gleiten, fühlte den süßen Sammet ihrer Haut und
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