Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sechzigtausend wert ist, dürfen Sie meinen Kopf aufessen«, sagte Eleanor.
»Ich will Ihren Kopf nicht aufessen«, sagte Mr. Tonelli. »Ich möchte meine dreißigtausend Dollar zurückhaben plus acht Prozent Zinsen.«
»Acht Prozent? Mir scheint, Sie haben auch Nerven, Mr. Tonelli!« sagte Eleanor.
»Ohne Zweifel«, versetzte Mr. Tonelli. »Die habe ich. Die Deutschen sind in letzter Zeit ziemlich nahe an Paris herangekommen. Wer will da sagen, ob der Krieg wirklich noch lange dauert? Also acht Prozent. Wollen Sie, oder wollen Sie nicht?«
»Doch«, sagte Eleanor, »ich will.«
Er versprach ihr, die Papiere in den nächsten Tagen fertigmachen zu lassen. Eleanor verließ das Büro sehr gesetzten Schrittes, aber als sie auf der Straße war, begann sie zu rennen. Alles in ihr jauchzte: Ich habe es geschafft! Da war eine Herausforderung und ein Kampf und die Chance des Sieges. Sie drahtete Kester, er möge nach New Orleans kommen, um die Pfandbriefe für Mr. Tonelli zu unterschreiben. Kester kam am nächsten Tag, er gewann das unbeugsame Herz Mr. Tonellis durch seine strahlende Laune, dankte Fred Upjohn dafür, daß er die Notiz über den Schießbaumwollverbrauch des britischen Kriegsschiffes gelesen und Eleanor zugesandt habe, und unterschrieb – sehr bezeichnend für ihn – die Pfandbriefe, ohne sie auch nur zu lesen. Es bedurfte dessen freilich auch nicht, da Eleanor jede Zeile sorgfältig geprüft hatte.
Anschließend gingen Kester und Eleanor nach Ardeith zurück, gewillt und entschlossen, weiterzuarbeiten, wie sie im letzten Sommer gearbeitet hatten, nur, wenn möglich, mit noch größerer Härte und Zähigkeit.
II
I m April notierte Baumwolle mit zehn Cents für das Pfund, und die Frühjahrsexporte überschritten das Ausfuhrergebnis jeder entsprechenden Periode der vergangenen Jahre. Eleanor stellte fest, daß sie ein zweites Kind haben würde.
Sie freute sich darüber, obgleich es bedeutete, daß sie die doppelte Last zu tragen haben würde. War dieses werdende Kind doch eine lebendige Erinnerung an die Stunden, da ihre Ehe dicht daran war, zu zerbrechen, und nun hatten eben diese Stunden zu einer neuen Einheit zwischen ihr und Kester geführt. Kester zeigte sich, als sie ihm die Eröffnung machte, hoch beglückt. Der Gedanke, es könne durch das bevorstehende Ereignis etwas von der Energie, die sie der Plantage widmen wollten, verlorengehen, kam ihm nicht einmal von fern.
Aber Eleanor war ja auch eine gesunde Frau, und niemand hätte sie je in ihrem Leben mit einem Schimmer von Berechtigung träge nennen können. Während der ersten Schwangerschaftsmonate arbeitete sie eher noch eifriger als sonst, um soviel wie möglich im voraus zu schaffen, für die Zeit, wo sie nicht mehr imstande sein würde, ihre volle Kraft zu entfalten. Sie waren jetzt beide wieder fröhlich und hoffnungsvoll und sehr glücklich miteinander. Ohne daß sie ein Wort des Einverständnisses darüber verloren hätten, erwähnten sie beide Isabel Valcour mit keinem Wort. Isabel war auch nicht mehr am Ort. Nach Klara Sheramys Erzählung war sie nach Washington gefahren, wo sie versuchen wollte, ihre Staatsbürgerschaft zurückzuerlangen und etwas von ihrem in Deutschland festliegenden Vermögen herüberzubekommen. Eleanor schwor sich selbst immer wieder, daß sie keinen Gedanken an Isabel verschwenden wolle, und doch dachte sie zuweilen, wie gut es wäre, wenn Isabel einen Diplomaten bezaubern und sich wieder verheiraten würde.
Aber sie hatte ohnehin nicht genug Spannkraft, um Gedanken an Isabel zu verschwenden. Neben ihrer Arbeit – sie besorgte die Buchhaltung und den ganzen Schriftverkehr – gab sie jetzt wieder häufiger kleine Partys, denn Kester vermochte nicht lange angespannt zu arbeiten, ohne sich zwischendurch hin und wieder zu vergnügen. Die Baumwolle stieg indessen langsam und zäh. Sie wurde in der Mitte des Sommers mit elf Cents notiert.
Der Krieg machte keine Anstalten, sich dem Ende zuzuneigen. Experten erklärten, daß die Russen sich weit zurückgezogen hätten und daß die britisch-französische Offensive in Frankreich aus Munitionsmangel fehlgeschlagen sei. Die Armeen erwarteten dringend Munitionsnachschub für den Winterfeldzug. Die Deutschen und Österreicher schienen noch reichlich mit Munition versorgt. Die Alliierten gaben sich verzweifelte Mühe, Baumwolltransporte nach Deutschland zu unterbinden, aber sogar der britischen Diplomatie fiel es nicht immer leicht, amerikanische Verschiffungen an
Weitere Kostenlose Bücher