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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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stecken, als Kester aufsprang und einen unterdrückten Schrei ausstieß.
    Sie sah auf, sah sein Gesicht, und der Brief glitt ihr aus der Hand.
    Kester hielt das Schreiben seiner Bank in Händen. Er sah sehr blaß aus, und seine Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen. »Kester«, flüsterte sie, von einem bösen Gefühl gepackt, »was hast du? Was gibt es?«
    Er antwortete nicht gleich; er sah sie an oder vielmehr durch sie hindurch, mit einem Ausdruck, den sie bisher nicht an ihm kannte. Dann sagte er mit einer fremden, sonderbar brüchigen Stimme: »Die Bank droht damit, mir Ardeith zu nehmen.«
    Eleanor hörte sich selbst einen Schrei ausstoßen, einen unartikulierten Laut, der tief aus der Kehle kam; sie fühlte, wie ein Schwindel sie befiel. Es war ihr, als hätte ein plötzlicher Windstoß ihr die Sinne verwirrt. Was denn? dachte sie, was denn? Was hat er da gesagt? Sie starrte ihn an, wollte etwas sagen und konnte es nicht und hatte auch gleichzeitig das Gefühl, jetzt besser nicht zu sprechen; da war etwas nicht in Ordnung, sie würde es mit Worten nur weiter verwirren, gleich – gleich mußte ja alles wieder auf seinem Platz sein; dann würde sie froh sein, nichts Unbedachtes gesagt zu haben. Im Geist sah sie Ardeith vor sich, wie es war, wie es sich erschlossen hatte: die Eichen und Palmen rund um das Haus, die endlosen Baumwollfelder, die niedrigen Hütten und die Scharen geschäftiger Neger. Sie sah Kester und ihr Kind, wie sie die Wendeltreppe herabgeschritten kamen, sie sah das Mädchen im Brautschleier, so wie damals in jener ersten Vision. Und seltsamerweise sah sie den Abdruck des Pferdehufes auf der Treppenstufe und den Sprung in der silbernen Kaffeekanne und Kesters kleines Taschenmesser mit dem eingravierten Namenszug auf der Schale, den seine Mutter hatte anbringen lassen, weil er stets alle seine Sachen verlor.
    Nach einer Weile – sie wußte nicht, wie lange sie so dagesessen und ihn angesehen hatte – beugte sich Kester herab und küßte sie sacht auf die Stirn. Sie hörte ihn sagen:
    »Es tut mir leid, Liebling. Ich wollte dich nicht betrüben. Ich werde nach New Orleans fahren und die Sache in Ordnung bringen. Sie werden mir Aufschub gewähren.«
    Eleanor strich sich mit der Hand über die Stirn; sie hatte einen Augenblick ein unangenehmes Empfinden, fast so, als habe sie ein Fremder zu küssen gewagt. Die Dinge kamen nicht wieder auf ihren Platz. Sie sagte, mit einer Stimme, von der sie das Gefühl hatte, sie gehöre ihr nicht: »Aufschub? Und wenn man ihn nicht gewährt?«
    Er zuckte die Achseln.
    Sie sah die Bewegung; sie stellte ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn ein; kein Zweifel, er sah wieder wie immer aus, völlig normal, als sei nichts Aufregendes geschehen. Er war wieder der sorglose, reizende junge Mann, für den es kein Mißgeschick gab, dem alles zuflog, was er begehrte, der durch kein Ereignis aus dem seelischen Gleichmaß zu bringen war.
    »Ich erreiche immer, was ich will, Liebes«, sagte er jetzt, »du brauchst dir keinerlei Sorgen zu machen. Das hier ist ein förmlicher Brief, und er hat auch nicht mehr als formale Bedeutung. Ich hätte dich nicht so erschrecken sollen.« Er sah ihren Blick, und ein leichter Schatten überflog sein Gesicht. »Sieh mich nicht so an, Liebes«, fuhr er fort, »wirklich, es tut mir leid, daß ich dich erschreckt habe. Wußtest du nicht, daß ich immer hoffnungslos in Schulden stecke? Ich bin sozusagen das böse Kind, das von der Südost-Wechselbank verwöhnt und verhätschelt wird. Mein vorzüglichstes Talent ist jedenfalls das, jederzeit von jedermann Geld borgen zu können.« Warum sagte sie denn nichts? Warum regte sie sich immer noch nicht? Wie sie ihn ansah! Es verletzte ihn fast. »Kanntest du mich denn nicht, Liebling, als du mich heiratetest?« fragte er.
    Mit einer so spröden, kalten und harten Stimme, daß ihre Worte wie Eisbrocken auf seine Selbstsicherheit fielen, sagte Eleanor:
    »Nein. Ich kannte dich nicht.«
    Kester antwortete nicht; er trat einen Schritt zurück. Eleanor war es plötzlich, als werde in eben diesem Augenblick ihr Leben von unbekannter Hand mit einem Rasiermesser mitten durchgeschnitten. Als teile dieser Schnitt unwiderruflich alles, was vor ihr lag, von dem, was hinter ihr lag. Sie sah während dieses unheilvollen Augenblickes auf Kester, sah ihn und erkannte ihn mit der plötzlichen Klarheit, mit der man zuweilen den Schmerz erkennt. Sie sah ihn, als sähe sie ihn zum erstenmal: Kester Larne, den

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