Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
hier sitzen und vor innerer Erregung beinahe schluchzen sehen. Da mußte ich helfen, soweit meine bescheidene Kraft eben reichte. Und nun kommen Sie und erzählen mir, daß Sie verzweifelt sind.«
»Ich bin tatsächlich verzweifelt«, sagte Kester ruhig.
»Gewiß, Mister Larne. Armut ist ein relativer Begriff. Aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich schon sagte. Wir sind auch verzweifelt.«
Kester stieß seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Danke, Mr. Robichaux«, sagte er, »entschuldigen Sie die Störung.«
Sie fuhren mit dem Zuge nach Ardeith zurück. Eleanor saß wie eine Wachsfigur an Kesters Seite, die Hände im Schoß gefaltet. Zum erstenmal in ihrem Leben sah sie sich einer vollendeten Niederlage gegenüber.
»Mach nicht so ein versteinertes Gesicht«, sagte Kester nach einer Weile, »selbst, wenn das Schlimmste eintreten sollte, wirst du nicht waschen gehen müssen.«
»Oh, ich kann waschen gehen«, versetzte Eleanor. »Aber ich kann das Gefühl nicht ertragen, geschlagen zu sein.«
»Aber Eleanor, um Gottes willen, es ist schließlich nicht unsere Schuld, daß wir die Baumwolle nicht verkaufen können.«
»Es ist nicht meine Schuld, daß wir keinen Kredit mehr haben«, entgegnete sie kalt.
Kester erwiderte nichts. Er blickte durch die Fenster auf die grauen Zypressenwälder, an denen der Zug vorüberglitt. Nach einer Weile ergriff Eleanor seine Hand und legte die ihre darüber.
»Es tut mir leid, Kester«, flüsterte sie.
Er drehte ihre Hand herum und sah die gestopfte Spitze an einem ihrer Handschuhfinger. »Ich fürchte, du wirst es nicht lassen können, ab und zu derartige Bemerkungen zu machen«, sagte er. »Offenbar denkst du fortgesetzt über meine Fehler nach.«
»Ich will es ja nicht«, murmelte sie, »wirklich, ich will es nicht. Kester, auch wenn es manchmal nicht so aussehen sollte: Ich liebe dich, mehr, als ich dir sagen kann.«
Ihre Hände verbanden sich miteinander. Eleanor hielt den Blick gesenkt; sie schämte sich ihrer Unbeherrschtheit und begriff selber nicht, warum sie in solchen Augenblicken nicht schweigen konnte.
Als sie die Treppe zur Veranda hinaufgingen, kam ihnen Cornelia entgegengekrabbelt. Kester ergriff sie und hob sie hoch. Er lächelte zum erstenmal an diesem Tage.
Eleanor ging nach oben und warf ihren Hut auf den Tisch. Der Hut war zwei Jahre alt. Während des letzten Sommers, da sie Cornelia erwartete, hatte sie keine Hüte gebraucht, und abgesehen von dem kostbaren Hut mit den drei weißen Federn, der sich für eine Eisenbahnfahrt nicht eignete, hatte sie es nicht gewagt, sich in diesem Jahr einen neuen zu kaufen. Den eben beiseite geworfenen Hut besaß sie seit den zauberhaften Tagen ihrer Hochzeitsreise an die Golfküste. Tausend Jahre schien das zurückzuliegen. Damals war sie jung und voller Selbstvertrauen. Und wenn sie neben Kester gelegen hatte, von seinen Armen umschlungen, war sie sicher gewesen, in dieser Welt niemals ein ernsthaftes Problem lösen zu müssen. Sie nahm den Hut auf und glättete das etwas verschossene Band. Sie haßte es, schlecht angezogen zu sein; sie hatte niemals extravaganten Moden gehuldigt, aber sie hatte immer großen Wert auf gute, gediegene Kleidung gelegt. Ja, dachte sie immer, bis ich dann Kester Larne geheiratet habe, die erste Handlung meines Lebens, bei der ich nicht meinem Verstand, sondern meinem Gefühl folgte.
Es klopfte leise an ihrer Tür. Auf ihr Rufen erschien Kester und brachte ihren Koffer. Der gute Kester! Er war so feinfühlig, daß er niemals ihr Schlafzimmer betrat, ohne anzuklopfen. Er kam herein, stellte den Koffer ab, legte die Arme um sie und hielt sie eine Weile fest umschlungen. Eleanor klammerte sich an ihn an, als bedürfe sie eines Haltes. Immer wenn er sie so hielt, konnte sie nichts anderes denken, als daß sie ihn liebte.
Nach einer langen Weile sagte Kester: »Es ist bald Zeit zum Abendessen. Zieh dich um und komm herunter.«
»Ja«, sagte sie leise, »gleich.«
»Es ist fürchterlich heiß«, sagte er, »ich werde dir einen Krug Eiswasser heraufschicken.«
Sie küßte ihn in überquellender Zärtlichkeit.
Nach dem Abendessen verschanzte sich Kester hinter einem Magazin, während Eleanor dasaß und allerlei Figuren an den Rand einer Seite ihres Hauptbuches kritzelte. Dabei starrte sie auf die Wand, als suche sie eine Spalte, um entfliehen zu können. Sie verbrauchten gar nicht sehr viel Geld. Wenn Kester nicht versäumt hätte, die Zinsen für seine Schuldscheine zu bezahlen,
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