Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
die Sessellehne. »Ich weiß es, Liebste«, sagte er düster, »es geht mir ja nicht anders.« Er machte eine kleine, traurige Bewegung mit dem Kopf. »Was hilft es!« sagte er. »Wir sind gegenwärtig ebenso schlimm daran wie die Europäer. Diese Leute stürzen sich in einen Krieg und geben vor, für die Zivilisation zu kämpfen, aber sie benehmen sich dabei, als ob sie niemals etwas von Zivilisation verspürt hätten.«
Sie schwiegen dann einige Minuten. Eleanor, ruhelos, stand schließlich auf. »Ich glaube, es würde mir guttun, vor dem Abendbrot noch eine kleine Fahrt über die Uferstraße zu machen«, sagte sie.
Er streichelte sie sacht. »Ich glaube, ich habe mich auch schlecht benommen, mein Herz«, sagte er, »es tut mir leid.«
»Oh, mir tut es auch leid«, flüsterte Eleanor und streifte sein Haar mit einem Kuß.
Eleanor lenkte das Auto durch die Parkallee und dann durch den Torweg. Die Uferszenerie bot in diesem Herbst kein sonderlich erfreuliches Bild. Die Kronen der großen Eichen auf der einen Seite hatten sich ineinander verfilzt; die Straße war mit Sonnenflecken besät. Dahinter in den Feldern verrottete die ungepflückte Baumwolle. Viele Pflanzer hatten es nicht für der Mühe wert gehalten, sie zu ernten, war es doch offensichtlich sinnlos und kostete unnütz Zeit und Geld. Um die Egreniermaschinen herum türmten sich Baumwollballen, für die kein Lagerraum mehr beschafft worden war; jetzt war in keinem der Lagerhäuser mehr ein Plätzchen zu mieten. Eleanor war ins Freie gefahren, um sich zu entspannen, sie wollte jetzt nicht an die Baumwolle denken und nicht davon sprechen, aber sie konnte ihren Gedanken nicht befehlen. Freilich, die schlimmste Gefahr war beseitigt. Mit dem Bargeld, das sie heute beschafft hatte, und den Juwelen als Sicherheit für den Rest würde die Bank sich zufriedengeben und die Hypotheken für ein weiteres Jahr stehenlassen. Aber wie sollte die Plantage aufrechterhalten werden?
Die Zukunft lag vor ihr wie eine Wüste. Sie hatten kein Geld, um die Arbeiter zu bezahlen, die unbedingt notwendig waren, um die unerläßliche Winterarbeit zu tun. Sie konnten keine Düngemittel einkaufen, ohne zuvor die Lieferungen des vergangenen Jahres zu bezahlen. Daneben waren noch zahllose andere Notwendigkeiten: Viehfutter und anfallende Reparaturen und die Abonnements der landwirtschaftlichen Zeitschriften, an die Bedürfnisse des täglichen Lebens noch gar nicht zu denken. Und ihr Kredit war schon so stark in Anspruch genommen, daß Eleanor schon jetzt vor dem Betreten eines Geschäftes zurückschreckte. Und wenn sie schließlich dennoch auf irgendeine Weise durch den Winter kämen – was, in Gottes Namen! – sollten sie im Frühjahr pflanzen? Das Land barg zehn Millionen Ballen Baumwolle in seinen Lagerhäusern. Unter diesen Umständen wäre es geradezu närrisch gewesen, neue Baumwolle anpflanzen zu wollen. Aber auf Ardeith war seit dem Bürgerkrieg, von dem Gemüse für den eigenen Tisch abgesehen, niemals etwas anderes als Baumwolle gepflanzt worden. Man konnte eine solche Plantage nicht von heut auf morgen vollkommen umstellen, genausowenig wie eine Fabrik. Baumwolle, Baumwolle, Baumwolle! Das Wort drehte sich mit der Geschwindigkeit eines Kreisels in ihrem Kopf. Benötigen denn diese Wahnsinnigen in Europa keine Wäsche und keine Kleidung? Die Meere waren leergefegt, als hätte niemals ein Bedarf nach Baumwolle bestanden.
Es war spät geworden. Eleanor drehte den Wagen und fuhr nach Ardeith zurück. Als sie vor dem Hause ankamen, legte sie wie in plötzlicher Erschöpfung die Arme auf das Steuerrad und den Kopf auf die Arme. »Lieber Gott!« flüsterte sie, »wenn du es schon nicht zulassen kannst, daß die Baumwolle wieder steigt, dann laß irgend etwas geschehen, daß ich wenigstens nicht mehr daran denken muß!«
II
E s geschah etwas, das Eleanor an die Ermahnung gewisser Geistlicher denken ließ, die ihre Gemeinden zu warnen pflegten, sich ihre Gebete sorgfältig zu überlegen, auf daß sie nicht in unerwarteter Weise Erhörung fänden.
Sie hinterlegten die Juwelen auf der Bank als Sicherheit für den Zinsenrest. Das Geld, das Eleanor für den alten französischen Cognac erzielte, legten sie beiseite, um die notwendigsten Ausgaben für den Haushalt davon zu bestreiten. Es war unmöglich, vorauszusagen, wie weit dieses Geld reichen würde, denn zufolge des Mangels an Importwaren stiegen die Preise für Inlandserzeugnisse. Außerdem wurde neuerdings eine Kriegssteuer
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