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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Und da sie endlich den so sehr erträumten Gatten in ihrer Nähe hatte, nahm sie sich fest vor, ihn diesmal zu erobern. Sie berauschte ihn auch mit dem Duft eines schönen, gesunden Mädchens und setzte ihn zugleich durch ihr Verständnis für das Hauswesen und die Sparsamkeit in kleinen Dingen in Verwunderung. Denn sie ließ sich Erklärungen über ihre Einkäufe geben und bewies ihm, daß sie ihre Ausgaben noch hätte einschränken können:
    »Sie müssen schrecklich müde sein?« fragte Herr von Guersaint Frau Desagneaux.
    Diese widersprach und stieß einen Ruf aufrichtigen Zornes aus.
    »O nein! Stellen Sie sich vor, die Müdigkeit hat mich gestern um Mitternacht im Hospital in einen Armsessel niedergeworfen. Und die Damen haben es über das Herz gebracht, mich schlafen zu lassen!«
    Man fing aufs neue zu lachen an. Aber sie war noch außer sich. Darum fuhr sie fort:
    »So habe ich wie ein Klotz bis zum Morgen geschlafen. Und dabei hatte ich geschworen, die Nacht durchzuwachen!«
    Endlich gewann die Lachlust auch bei ihr wieder die Oberhand. Sie brach los und zeigte ihre schönen weißen Zähne.
    »Bin ich nicht eine hübsche Krankenwärterin? Die arme Frau von Jonquière ist aufgeblieben. Ich habe eben versucht, sie zu verführen und sie mit uns zu nehmen. Aber sie hat es vorgezogen, einen Augenblick zu Bett zu gehen.«
    Raymonde hatte zugehört und erhob jetzt ihre Stimme.
    »O ja, die arme Mama! Sie konnte sich nicht mehr auf den Füßen halten. Ich habe sie gezwungen, sich ins Bett zu legen, und habe ihr gesagt, daß sie ruhig schlafen könnte und daß alles ganz gut gehen würde.«
    Sie hatte für Gérard einen klaren, lachenden Blick. Er glaubte sogar einen unmerklichen Druck des frischen, runden Armes zu fühlen, als ob sie sich hätte glücklich darüber zeigen wollen, daß sie allein mit ihm war und daß sie miteinander, ohne von jemand gestört zu werden, ihre kleinen Angelegenheiten regeln konnten. Das entzückte ihn, und er setzte ihr auseinander, weshalb er diesen Tag nicht mit seinen Kameraden gegessen hatte. Eine abreisende befreundete Familie hatte ihn zu zehn Uhr eingeladen, und so war er erst nach der Abfahrt des Zehneinhalbuhrzuges wieder frei geworden.
    »Die lustigen Kameraden!« fuhr er in seiner Rede fort. »Hören Sie sie?«
    Man kam näher und vernahm in der Tat den lauten Lärm junger Leute. Er ging von einer Baumgruppe aus, unter der sich das alte Gebäude verbarg, in dem man das »Kasino« untergebracht hatte. Zuerst führte er sie in die Küche, einen weiten, sehr gut eingerichteten Raum, der von einem großen Herd und einem breiten Tisch eingenommen wurde. Er machte sie darauf aufmerksam, daß selbst der Koch, ein vollwangiger, heiterer Mann, das rote Kreuz auf seiner weißen Jacke trug, denn auch er nahm teil an der Pilgerfahrt. Dann stieß er eine Tür auf und geleitete sie in den gemeinschaftlichen Saal.
    Es war ein langer Saal, in dem eine doppelte Reihe einfacher Tische aus Tannenholz aufgestellt war. Es waren keine anderen Möbel darin, nur noch ein Tisch für den Nachtisch und Wirtshausstühle mit Strohsitzen. Aber die mit Kalk getünchten Wände und der Backsteinfußboden von leuchtendem Rot, alles zeigte sich sauber in dieser beabsichtigten Einfachheit eines Klosterspeisesaals. Was den Eintretenden gleich beim Überschreiten der Schwelle fesselte, war die hier herrschende kindliche Fröhlichkeit. Ungefähr hundertundfünfzig Gäste jedes Alters saßen beim Essen, sie hatten guten Appetit, lachten und spendeten mit vollem Mund denen Beifall, die sangen. Eine außerordentliche Brüderlichkeit vereinigte diese Menschen, die von überall, aus allen Ständen, aus allen Vermögensverhältnissen, aus allen Provinzen hier zusammengekommen waren. Viele kannten sich nicht. Sie saßen hier jedes Jahr während dreier Tage Ellenbogen an Ellenbogen beisammen, lebten als Brüder, reisten wieder ab und wußten den Rest des Jahres nichts voneinander. Nichts war reizender, als sich in der Ausübung der Barmherzigkeit wiederzufinden und einige Tage gemeinschaftlicher großer Plage, aber auch heiterer Freude zu verleben, nicht zu rechnen, daß das ein wenig zum Vergnügungsplan großer, gleichzeitig sich selbst überlassener Jungen gehörte, die glücklich sind, wenn sie sich aufopfern und lachen dürfen. Und alles, die einfachen Speisen, der Stolz, sich selbst zu versorgen und das zu essen, was man selber gekauft und hatte kochen lassen, trug zur allgemeinen guten Laune bei.
    »Sie sehen«,

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