Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Denn ich werde zwei arme Geistliche mit mir nehmen. Wir werden dann vier sein. Lassen Sie mich nur heute abend in meinem Gasthof die Stunde der Abfahrt wissen!«
    Dann schloß er sich wieder seinen Damen an und führte sie nach der Grotte, indem er die schattige Allee einschlug, die den Gave einsäumt, eine kühle und verschwiegene Allee für Liebende. Pierre hatte sich abseits gehalten, und sich müde an die Brustwehr der neuen Brücke gelehnt. Zum erstenmal fiel ihm die außerordentliche rasche Überhandnähme der Priester unter der Menschenmasse auf. Er betrachtete sie, wie sie überaus zahlreich über die Brücke gingen. Alle Spielarten kamen vorüber, die richtigen, mit der Pilgerfahrt eingetroffenen Priester, die man an ihrem sicheren Auftreten und ihren reinlichen Soutanen erkannte; die armen, zaghaften, oft schlecht gekleideten Landpfarrer, die kein Opfer gescheut hatten, um hierherzukommen, und bestürzt weggingen; und schließlich der Schwarm von unbeschäftigten Geistlichen, die nach Lourdes geraten waren, man wußte nicht woher, die hier unbedingte Freiheit genossen, und von denen man nicht einmal wußte, ob sie jeden Morgen ihre Messe lasen. Die Freiheit mußte ihnen so süß erscheinen, daß die größte Zahl sich gewiß wie der Abbé des Hermoises hier befand, in Ferien, jeder Pflicht ledig, und glücklich darüber, daß sie einmal wie einfache Menschen leben konnten. Vom jungen, wohlgepflegten, gut aussehenden Priester bis zum alten Geistlichen in schmutziger Soutane und in armseligen Schuhen war die ganze Gattung vertreten – dicke, fette, magere, große und kleine Priester, solche, die der Glaube herbeiführte und die vor Eifer brannten, solche, die einfach ihren Beruf als brave Leute ausübten, und solche, die Ränke schmiedeten und nur aus Weltklugheit anwesend waren. Pierre war überrascht von diesem Strom von Priestern, der vor ihm vorbeizog, jeder mit einem besonderen Anliegen, und die alle zur Grotte eilten, wie man zu einer Pflicht geht oder zu einem Gegenstand gläubiger Verehrung, zu einem Vergnügen oder zu einem Frondienst. Er bemerkte einen darunter, sehr klein, schmächtig und schwarz, von stark italienischem Aussehen, dessen leuchtende Augen den Plan von Lourdes aufzunehmen schienen, ähnlich den Spionen, die vor der Eroberung einer Teilung eintreffen. Er sah einen andern, übermäßig dick und mit väterlicher Miene, er keuchte, weil er zuviel gegessen hatte, blieb vor einer alten kranken Frau stehen und ließ ihr endlich hundert Sous in die Hand gleiten.
    Herr von Guersaint trat wieder zu ihm.
    »Wir haben nur noch über den Wall und durch die Rue Basse zu gehen«, sagte er.
    Pierre begleitete ihn, ohne zu antworten. Auch er fühlte die Soutane auf seinen Schultern, und noch nie hatte er sie so leicht getragen wie in diesem Getümmel der Pilgerfahrt. Er lebte in einer Art Taumel und Bewußtlosigkeit und hoffte trotz des dumpfen Mißbehagens, das in ihm zunahm, immer auf den Blitzstrahl, der seinen Glauben wieder entzünden sollte! Die wachsende Flut der Priester verletzte ihn nicht mehr, er fand wieder ein brüderliches Gefühl für sie. Wie viele erfüllten gleich ihr rechtschaffen ihre Sendung als Führer und Tröster, ohne zu glauben!
    Herr von Guersaint erhob seine Stimme.
    »Sie wissen, daß diese Straße neu ist? Was man seit zwanzig Jahren für Häuser gebaut hat, das ist fast unglaublich. Es steht da wahrhaftig eine ganze neue Stadt.«
    Rechts hinter den Häusern floß der Lapaca vorbei. Sie waren neugierig, wagten sich in eine kleine Straße hinein und stießen auf die alten, seltsamen Gebäude, die am Ufer des unbedeutenden Baches stehen. Die Räder mehrerer, alten Mühlen wurden hintereinander sichtbar. Man zeigte ihnen auch die, die Monsignore Laurence Bernadettes Eltern nach den Erscheinungen zum Geschenk gemacht hatte.
    Der Marcadal-Platz war ein langer, dreieckiger Platz, der belebteste und prächtigste Platz der alten Stadt, auf dem sich die Kaffeehäuser, die Apotheken und schönen Kaufläden befanden. Unter allen stach ein hellgrün angemalter, mit hohen Spiegeln versehener Laden hervor, über dem sich ein breites Geschäftsschild zeigte, das in goldenen Buchstaben die Inschrift trug: »Cazaban, Barbier.«
    Herr von ???Guersaint und Pierre waren eingetreten. In der Barbierstube war jedoch niemand anwesend, und sie mußten warten. Ein schreckliches Gabelgeklapper drang aus dem angrenzenden Raum, dem gewöhnlichen Speisezimmer, zu ihren Ohren. Dort befand sich ein

Weitere Kostenlose Bücher